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Der Advent, in dem Emma ihren Schutzengel verklagte

Der Advent, in dem Emma ihren Schutzengel verklagte

Titel: Der Advent, in dem Emma ihren Schutzengel verklagte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noel Hardy
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stand auf, um die Küchentür zuzuziehen. Die Tür leistete Widerstand, und so heftig sie auch zog, von der anderen Seite wurde genauso stark zurückgezogen, sodass sie schließlich sagte: »Entschuldigen Sie mich einen Augenblick, Monsignore.« Sie schlüpfte hinaus und prallte beinahe gegen Murat. »Was machst du denn hier?«, flüsterte sie. »Du sollst dich doch nicht sehen lassen! Hast du etwa gelauscht?«
    Â»Nur ein bisschen.« Murat flüsterte ebenfalls. »Der Typ, mit dem du da sprichst – ist das ein Mann Gottes?«
    Â»Wenn du besser auf mich Acht gegeben hättest, wüsstest du, wer er ist.« Sie warf einen Blick über die Schulter, konnte durch den Türspalt aber nur die eifrig zugreifen den Hände des Monsignores sehen. »Monsignore Wenzel ist sogar ein sehr hoher Mann Gottes.«
    Â»Kann ich ihm Guten Tag sagen?«
    Â»Nein.«
    Â»Er hat eine Madonna erwähnt. Und er hat was über deinen Vater gesagt, der in der Klemme steckt.«
    Â»Na und?«
    Â»Ich möchte ihn kennenlernen.«
    Â»Warum?«
    Â»Ich habe das Recht, meine Verteidigung vorzubereiten, oder? Dein Anwalt hat gemeint, ich brauche auch einen. Ich sage dem Monsignore auch nicht, dass ich ein En gel bin.«
    Â»Wie soll er dann dein Anwalt werden?«
    Â»Ich sage es ihm heute noch nicht!«
    Emma seufzte. »Also gut, aber zieh dir etwas an, ja?«
    Fünf Minuten später betrat Murat die Küche, und obwohl er dasselbe trug wie bei seiner Ankunft, wirkten die Klamotten jetzt anders, fast wie aus einer angesagten Boutique. Emma sagte: »Monsignore, ich möchte Sie mit einem Freund bekannt machen, der – der überraschend zu Besuch gekommen ist. Murat Honigfels.«
    Â»Ich bin ein Engel«, sagte Murat.
    Emma versuchte, ihn mit einem Blick zum Schweigen zu bringen, aber er wich ihren Augen aus. Der Monsignore dagegen strahlte. »Sehr erfreut! Ich wollte schon immer einen echten Engel kennenlernen. So sehen die also aus … Dachte ich mir doch, dass sie nicht klein und nackt sind, und auch keine goldenen Flügel haben wie die Putten an der Kanzel von Sankt Michael.«
    Â»Wir spielen auch nicht dauernd Harfe«, ergänzte Murat und setzte sich ebenfalls an den Tisch. »Denken Sie daran, was Johannes aus Damaskus über uns gesagt hat: ›Nicht so, wie sie sind, erscheinen sie, sondern so, wie die Menschen sie sehen können.‹«
    Der Monsignore trank einen Schluck Kaffee. »Und was sagen Sie dazu, dass unsere Emma hier gerade einen von euch verklagt hat?« Bevor Murat antworten konnte, griff Wenzel nach Emmas Hand. »Sieh mich mal an, Emma – stammt diese Idee wirklich allein von dir?«
    Â»Von wem denn sonst?«
    Â»Du hast nicht etwa deine Seele dem Teufel verkauft?«
    Emma lachte bitter. »Bei meinem Pech ist nicht mal der an meiner Seele interessiert.«
    Â»Der Teufel lehnt keine Seele ab«, sagte Murat. »Es ist Gott, der nicht jede Seele nimmt.«
    Staunend sah der Monsignore ihn an. »Wenn Sie kein Engel wären, hätte ein guter Theologe aus Ihnen werden können, mein Sohn. Haben Sie denn einen bestimmten Aufgabenbereich?«
    Â»Personenschutz«, sagte Murat.
    Wenzels Augen leuchteten auf. »Ich habe tausend Fragen, das können Sie sich bestimmt denken.« Er stellte seine Tasse ab und griff nach dem nächsten Brötchen. »Das ist einfach himmlisch, Emma. Ach, Herr Honig fels – wie muss ich mir eigentlich den Himmel vor stellen?«
    Â»Er hat fast alles vergessen«, antwortete Emma an Murats Stelle. »Behauptet er jedenfalls.«
    Aber Murat schien fest entschlossen, selbst zu antworten. »Keine üppigen Gärten, überzuckert mit Gold«, sagte er. »Diese Kirche, Sankt Michael, von der Sie vorhin sprachen: Schauen Sie sich dieses herrliche Fresko über dem Altar an – das ist ein Stück Himmel. Ein rot belaubter Ahorn in einer sonnenüberströmten Herbstlandschaft ist ein himmlischer Anblick. Wenn Freunde einander nah sind, befinden sie sich im Paradies. Der Himmel ist nicht irgendwo da oben, er ist in Ihrem Herzen. Das einzige Problem ist …«
    Â»Ja?«, fragte Emma neugierig.
    Â»Du musst ihn dir verdienen«, sprang jetzt der Mon signore ein. »Jeden Tag von Neuem. So wie man sich seine Freunde jeden Tag aufs Neue verdienen muss. Wenn du einen Fehler begehst, musst du ihn korrigieren. Wenn du gesündigt hast, musst

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