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Der Afghane

Der Afghane

Titel: Der Afghane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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messerscharfen, annähernd mit Schallgeschwindigkeit rotierenden Kompressorblätter abgerissen wurden. Jedes abgerissene Blatt blockierte die folgenden. In beiden Cockpits antwortete ein grelles rotes Blinklicht auf Nicky Johns Aufschrei: »Fuck, was war das?«
    Larry Duval vor ihm hörte einen Schrei in seinem eigenen Kopf: »Abschalten!«
    Nach jahrelanger Flugerfahrung taten Duvals Finger ihre Arbeit fast allein: Sie legten einen Schalter nach dem andern um – Treibstoff, elektrische Schaltkreise, hydraulische Leitungen. Aber das Steuerbordtriebwerk stand in Flammen. Die internen Feuerlöscher setzten automatisch ein, doch es war zu spät. Das F-100-Triebwerk riss auseinander.
    Der Wizzo hinter Duval rief McChord: »Mayday, Mayday, Mayday, Feuer im Steuerbordtriebwerk …«
    Ein neuerliches Krachen hinter ihm unterbrach ihn. Statt abzuschalten, hatten Splitter des zerreißenden Triebwerks den Feuerschutz nach Backbord durchschlagen. Neue rote Lampen leuchteten auf. Das Backbordtriebwerk brannte jetzt auch. Mit reduziertem Treibstoff und einem funktionierenden Triebwerk hätte Duval die Maschine noch landen können. Aber wenn beide Triebwerke ausfallen, gleitet ein modernes Jagdflugzeug nicht wie in früheren Zeiten zu Boden, sondern fällt wie ein Stein vom Himmel.
    Bei der Untersuchung würde Captain Johns später aussagen, dass die Stimme seines Piloten ruhig und besonnen klang. Er hatte den Funk auf »Senden« gestellt, sodass der Fluglotse in McChord nicht informiert zu werden brauchte. Er hörte ständig mit.
    »Ich habe beide Triebwerke verloren«, sagte der Major. »Bereitmachen zum Aussteigen.«
    Der Wizzo warf einen letzten Blick auf seine Instrumente. Höhe: 24000 Fuß. Sinkflug, steiler werdend. Draußen schien immer noch die Sonne, aber die Wolkendecke kam ihnen rasend schnell entgegen. Er sah sich um. Der Eagle war eine fliegende Fackel, lodernd von einem Ende zum andern. Er hörte die ruhige Stimme vor ihm.
    »Schleudersitz betätigen.«
    Beide Männer packten den Griff neben ihrem Sitz und zogen. Mehr brauchten sie nicht zu tun. Moderne Schleudersitze sind so weit automatisiert, dass sie alles Nötige übernehmen, selbst wenn der Flieger bewusstlos ist.
    Weder Larry Duval noch Nicky Johns sah, wie ihr Flugzeug starb. Keine Sekunde zu früh schossen sie senkrecht durch die zerberstende Haube in die eisige Stratosphäre. Der Sitz hielt ihre Arme und Beine fest, sodass sie nicht herumgewirbelt und abgerissen werden konnten. Der Sitz schützte ihre Gesichter vor dem Druck der Beschleunigung, der ihnen sonst die Wangenknochen in den Schädel gedrückt hätte.
    Kleine Bremsfallschirme stabilisierten die Schleudersitze auf dem Sturzflug zur Erde. In Sekundenschnelle waren sie in der Wolkendecke verschwunden. Durch ihre Helmvisiere sahen die beiden Flieger nichts als nasse graue Wolken, die an ihnen vorbeiflogen.
    Der Sitz spürte, dass sie nah genug über dem Boden waren, um die Absprengladungen auszulösen. Die Haltegurte schnappten auf, und die beiden Männer, inzwischen eine Meile weit voneinander entfernt, wurden aus ihren Sitzen gerissen, die unter ihnen wegstürzten.
    Die Fallschirme funktionierten ebenfalls automatisch. Auch sie öffneten zuerst einen kleinen Bremsfallschirm, um den freien Fall in der Luft zu stabilisieren, dann öffnete sich der Hauptschirm. Mit einem mächtigen Ruck verringerte sich die tödliche Fallgeschwindigkeit von hundertzwanzig Meilen pro Stunde auf ungefähr vierzehn.
    Allmählich spürten sie die intensive Kälte durch ihre dünnen Nylon-Anti-G-Overalls. Sie schienen in einem gespenstischen nassgrauen Limbo zwischen Himmel und Hölle zu schweben, bis sie in die Wipfel der Fichten krachten.
    Im Halbdunkel unter dem bewölkten Himmel landete der Major auf einer Lichtung, wobei sein Fall durch Polster flacher Fichtenzweige abgefedert wurde. Benommen und atemlos blieb er ein paar Sekunden liegen. Dann öffnete er den Gurtverschluss vor seinem Bauch, rappelte sich auf und schaltete sein Funkgerät ein, damit die Retter ihn orten konnten.
    Nicky Johns war ebenfalls in den Bäumen gelandet, aber nicht auf einer Lichtung, sondern im dichten Wald. Der Schnee von den Ästen überschüttete ihn, und er wartete auf den Aufschlag, doch der kam nicht. Über sich in der eisigen Düsternis sah er, dass sein Fallschirm in den Bäumen hängen geblieben war. Unter sich konnte er den Boden erkennen. Schnee und Fichtennadeln. Ungefähr fünf Meter. Er holte tief Luft, öffnete den

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