Der Afghane
Nase von Saddams Geheimpolizei als bescheidener Gärtner gelebt hatte, während er unbezahlbare Informationen von einer Quelle im Kabinett des Diktators nach draußen lieferte.
»Könnte sein«, räumte er ein. »Warum?«
»Ich glaube, wir sollten uns unterhalten«, sagte der Amerikaner. »Von Angesicht zu Angesicht. Ich könnte zu Ihnen kommen. Ich habe den Grumman.«
»Wann wollen Sie fliegen?«
»Heute Abend. Ich kann im Flugzeug schlafen. Dann bin ich zum Frühstück in London.«
»Okay. Ich arrangiere das mit Northolt.«
»Ach, und – Steve? Können Sie die Akte über diesen Martin beschaffen, während ich fliege? Ich erkläre Ihnen alles, wenn wir uns sehen.«
Westlich von London, an der Straße nach Oxford, liegt der Luftwaffenstützpunkt Northolt. Nach dem Zweiten Weltkrieg war hier zwei Jahre lang der Londoner Zivilflughafen, während Heathrow hastig hochgezogen wurde. Danach fiel Northolt wieder in seine Rolle als zweitrangiger Flughafen zurück, und schließlich wurde er zu einem Flugplatz für Privat- und Firmenjets. Aber weil er immer noch der Royal Air Force gehört, lassen sich hier geheime Starts und Landungen ohne die üblichen Formalitäten durchführen.
Die CIA hat einen eigenen Flugplatz in der Nähe von Langley und eine kleine Flotte von Executive-Jets. Marek Gumiennys umfassende Vollmacht gab ihm Zugriff auf einen Grumman V. Auf dem Transatlantikflug konnte er bequem an Bord der Maschine schlafen. Steve Hill erwartete ihn in Northolt.
Hill brachte seinen Gast nicht in die grün- und sandsteinfarbene Zikkurath in Vauxhall Cross am Südufer der Themse, wo der SIS seinen Sitz hat, sondern in das sehr viel ruhigere Cliveden Hotel, eine ehemalige Privatvilla auf einem eigenen Grundstück, keine dreißig Meilen vom Flugplatz entfernt. Er hatte eine kleine Konferenzsuite mit Zimmerservice reserviert, in der sie ungestört sein würden.
Dort las er die Analyse der amerikanischen Korankommission, die der aus Cheltenham bemerkenswert ähnlich war, und das Transkript der Unterhaltung auf dem Rücksitz der Limousine.
»Idiot«, brummte er, als er fertig war. »Der andere Arabist hat Recht. Das geht nicht. Nicht nur wegen der Sprache, sondern wegen der vielen anderen Tests, die kein Fremder, kein Ausländer je bestehen könnte.«
»Und angesichts meiner Befehle von allerhöchster Stelle – was würden Sie vorschlagen?«
»Schnappen Sie sich einen al-Qaida-Insider und quetschen Sie ihn aus«, sagte Hill.
»Steve, wenn wir auch nur die leiseste Ahnung hätten, wo wir einen so hochrangigen al-Qaida-Mann finden, dann würden wir ihn natürlich greifen. Aber wir haben keine solche Zielperson im Visier.«
»Abwarten und Tee trinken. Irgendjemand wird das Codewort wieder benutzen.«
»Meine Leute müssen davon ausgehen, dass die USA das Ziel sein werden, wenn al-Isra die nächste spektakuläre Operation sein sollte. Wenn wir da auf ein Wunder warten, das vielleicht nicht geschieht, wird Washington nicht zufrieden sein. Außerdem dürfte al-Qaida inzwischen wissen, dass wir den Laptop haben. Ist also gut möglich, dass sie das Codewort nie wieder verwenden, außer vielleicht in Vieraugengesprächen.«
»Tja«, meinte Hill, »wir könnten überall da, wo sie es hören müssen, verbreiten, dass wir den Plan kennen und kurz vor dem Zugriff stehen. Dann werden sie die Operation abbrechen und sich verdrücken.«
»Vielleicht, vielleicht auch nicht. Aber das werden wir nie erfahren. Wir wären weiter im Ungewissen und würden nie erfahren, ob Projekt Stingray abgeblasen wurde oder nicht. Und wenn nicht? Wenn sie es durchführen? Wie mein Boss fragt: Ist es ein nuklearer, ein chemischer, ein konventioneller Angriff? Wo und wann? Kann denn Ihr Martin wirklich als Araber unter Arabern durchgehen? Ist er wirklich so gut?«
»Er war es immer«, grunzte Hill und schob eine Akte über den Tisch. »Sehen Sie selbst.«
Die Akte mit den üblichen braunen Deckeln war mehrere Zentimeter dick, und auf dem Etikett stand schlicht: »COLONEL MIKE MARTIN«.
Der Großvater mütterlicherseits der beiden Martin-Brüder war zwischen den Weltkriegen Teepflanzer in Darjeeling in Indien gewesen. Dort hatte er etwas Unerhörtes getan: Er hatte ein indisches Mädchen geheiratet.
Die britischen Teepflanzer lebten in einer kleinen, entlegenen Welt voller Snobismus. Ihre Bräute kamen aus England, oder sie fanden sie unter den Töchtern der Offiziersklasse des Raj. Die Jungen hatten Fotos ihres Großvaters gesehen: Terence
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