Der Afghane
denken Sie über unser Problem, Terry?«
Ben Jolley hatte seine Gedankengänge beendet und drehte sich zu Martin um.
»Klingt nicht gut, wie?«, erwiderte Terry Martin. »Haben Sie die Gesichter unserer beiden Geheimdienstfreunde gesehen? Sie wussten, dass wir nur bestätigten, was sie bereits vermutet hatten, aber sie waren nicht glücklich, als wir gingen.«
»Das ändert nichts an der Beurteilung. Sie müssen herausfinden, worum es bei der Operation al-Isra geht.«
»Wie sollen sie das anstellen?«
»Na, ich habe schon lange genug mit diesen Schlapphüten zu tun. Seit dem Sechstagekrieg berate ich sie in allen Nahost-Fragen. Sie haben eine Menge Möglichkeiten: Insiderquellen, umgedrehte Agenten, Lauschangriffe, Datenspionage, Satellitenbeobachtungen. Und ihre Computer sind eine große Hilfe bei der Vernetzung von Daten – was früher Wochen gedauert hat, schaffen sie heute innerhalb von Minuten. Ich nehme an, sie werden es herausbekommen und irgendwie stoppen. Vergessen Sie nicht, wir haben einen weiten Weg zurückgelegt, seit Gary Powers 1960 über Swerdlowsk abgeschossen wurde und seit die U2 1962 die Fotos von Chruschtschows Raketen auf Kuba lieferte. Da waren Sie sicher noch gar nicht auf der Welt, was?« Er gluckste grummelnd bei dem Gedanken an sein eigenes, methusalemhaftes Alter, als Terry Martin nickte.
»Vielleicht haben sie sogar jemanden innerhalb von al-Qaida«, erwog Martin.
»Das bezweifle ich«, sagte Jolley. »Wenn es dort jemanden in hoher Position gäbe, wüssten wir längst, wo sich der Führungszirkel aufhält, und dann hätten wir sie mit Smart Bombs eliminiert.«
»Aber vielleicht können sie jemanden dort einschleusen, der uns dann berichtet.«
Wieder schüttelte der Ältere voller Überzeugung den Kopf. »Kommen Sie, Terry, wir wissen beide, dass das unmöglich ist. Ein Araber würde sich wahrscheinlich umdrehen lassen und gegen uns arbeiten. Und ein Nichtaraber? Vergessen Sie's. Wir wissen beide, dass alle Araber weit verzweigten Familien, Sippen und Stämmen angehören. Eine Nachfrage bei der Familie oder dem Klan, und jeder Spitzel wäre enttarnt. Er müsste also einen unangreifbaren Lebenslauf haben. Dazu kommt, er müsste seiner Rolle entsprechend aussehen und reden können, und vor allem: Er müsste sie beten können. Eine falsche Silbe bei all diesen Gebeten, und die Fanatiker würden etwas merken. Sie sprechen ihre Gebete fünfmal täglich und lassen niemals eins aus.«
»Das stimmt.« Martin wusste, dass der andere wahrscheinlich Recht hatte, doch er ließ gern seine Fantasie spielen. »Aber die Koranpassagen lassen sich auswendig lernen, und man könnte eine Familie erfinden, die unaufspürbar ist.«
»Vergessen Sie's, Terry. Kein Europäer oder Amerikaner kann unter Arabern als Araber durchgehen.«
»Mein Bruder schon«, sagte Dr. Martin. Eine Sekunde später hätte er sich am liebsten die Zunge abgebissen. Aber er hatte Glück. Dr. Jolley grunzte nur, ließ das Thema fallen und schaute hinaus in die Außenbezirke von Washington. Die beiden Köpfe vor der Scheibe hatten sich nicht bewegt. Martin atmete erleichtert auf. Falls es ein Mikro im Wagen gab, war es offenbar abgeschaltet.
Er irrte sich.
DREI
Der Fort-Meade-Report zu den Erwägungen der Korankommission war fertig, als an diesem Samstag die Sonne aufging, und durchkreuzte etliche Pläne für das Wochenende. Unter anderem die von Marek Gumienny, Deputy Director (Operations) der CIA, der am frühen Samstagmorgen in seinem Haus in Old Alexandria angerufen wurde. Man ersuchte ihn, unverzüglich in sein Büro zu kommen, sagte ihm jedoch nicht, warum.
Das »Warum« lag auf seinem Schreibtisch, als er ankam. In Washington dämmerte noch nicht einmal der Morgen, aber über den fernen Bergen von Prince George's Country, wo der Patuxent River zum Chesapeake fließt, schimmerten die ersten rosigen Strahlen der Sonne herauf.
Marek Gumiennys Büro war eines der wenigen im sechsten, obersten Stockwerk eines großen, lang gestreckten Gebäudes inmitten des Zentralkomplexes der CIA, der schlicht als Langley bekannt ist. Es war kürzlich umgetauft worden und hieß jetzt Old Building – im Unterschied zu dem spiegelbildlichen New Building, in dem der anwachsende Dienst seit 9/11 untergebracht war.
In der Hierarchie der CIA ist der Director of Central Intelligence traditionell ein politischer Beamter, während die tatsächliche Muskelkraft bei den beiden Deputy Directors liegt. Die Abteilung Operations ist für das
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