Der Afghane
Betonboden verankert. Mit bloßen Händen war es nicht zu bewegen, ebenso wenig wie die Regale an der Wand, die in den Beton eingelassen waren.
Aber es gab einen Teppichboden, und in Höhe der Fußleisten waren Heizungsgitter, die sich nicht öffnen ließen. Dem Guckloch gegenüber befand sich eine weitere Tür, die der Gefangene nach Belieben öffnen und schließen konnte. Sie führte in einen kleinen Hof.
Der Hof war leer bis auf eine Betonbank, die in der Mitte stand. Die Mauern waren von dort aus nicht zu erreichen. Sie waren drei Meter hoch und glatt wie ein Billardtisch, und ihre Oberkante war unerreichbar. Es gab nichts, was man hätte heranschieben, anlehnen und besteigen können.
Die sanitären Anlagen bestanden aus einer Nische abseits des großen Vorderraums: ein Loch im Boden, das als Toilette diente, und eine Dusche, die nur von außen durch die Wachen bedient werden konnte.
Weil das neue Baumaterial mit dem Hubschrauber hergebracht worden war, hatte man als einzige äußerlich sichtbare Neuerung einen Landeplatz anlegen müssen. So stand die einsame Hütte auf einem 200-Hektar-Grundstück, zu allen Seiten von Kiefern, Lärchen und Fichten umgeben, die allerdings im Umkreis von hundert Metern zurückgeschnitten worden waren.
Die zehn Bewacher des wahrscheinlich teuersten und exklusivsten Gefängnisses im ganzen Land, die schließlich kamen, waren zwei CIA-Männer der mittleren Ebene aus Langley und acht Subalterne, die alle mentalen und physischen Tests ihrer Ausbildung bestanden hatten und jetzt auf einen aufregenden ersten Einsatz hofften. Stattdessen bekamen sie einen Wald im Schnee. Aber sie waren fit und brannten darauf, Eindruck zu machen.
Das Militärgerichtsverfahren in Guantanamo Bay begann kurz vor Ende Januar und fand in einem der größeren Räume des Vernehmungsblocks statt, den man für diese Zwecke eingerichtet hatte. Wer auf einen halb wahnsinnigen Colonel Jessup und auf die theatralische Extravaganz hoffte, wie sie in Eine Frage der Ehre zu sehen waren, wäre bitter enttäuscht worden. Das Verfahren wurde geordnet und in gedämpftem Ton geführt.
Es waren acht Häftlinge, die für die Entlassung in Frage kamen, da sie als »nicht weiter gefährlich« eingestuft worden waren, und sieben von ihnen beteuerten vehement ihre Harmlosigkeit. Nur einer wahrte ein verachtungsvolles Schweigen.
»Gefangener Khan, in welche Sprache möchten Sie dieses Verfahren übersetzt bekommen?«, fragte der Colonel, der den Vorsitz führte. Er saß, flankiert von einem Major und einem weiblichen Captain, auf dem Podest am Ende des Raums unter dem Wappen der Vereinigten Staaten von Amerika. Alle drei gehörten zur juristischen Abteilung der US-Marines.
Der Gefangene saß vor ihnen. Zwei Marinesoldaten zogen ihn auf die Beine. An Schreibtischen einander gegenüber saßen der Anklagevertreter und der Verteidiger, Ersterer ein Soldat, Letzterer ein Zivilist. Der Gefangene zuckte kurz die Achseln und starrte ein paar Sekunden lang den weiblichen Captain an. Dann wanderte sein Blick zu der Wand über den Richtern.
»Diesem Gericht ist bekannt, dass der Gefangene Arabisch versteht. Also entscheidet das Gericht, dass in diese Sprache übersetzt werden wird. Haben Sie Einwände dagegen, Herr Anwalt?«
Die Frage war an den Verteidiger gerichtet. Auch er zuckte die Achseln. Man hatte ihn vor seinem Mandanten gewarnt, als er den Fall übernommen hatte. Nach allem, was ihm bekannt war, hatte er keine Chance. Er kam von einer Bürgerrechtsbewegung, und er wusste, was die Marines, die ihn hier umgaben, von Bürgerrechtlern hielten. Ein hilfsbereiter Mandant wäre nett gewesen. Andererseits, dachte er sich, brachte die Haltung des Afghanen zumindest seinen Anwalt aus dem Schneider. Er schüttelte den Kopf. Keine Einwände, Arabisch war in Ordnung.
Der Arabisch-Dolmetscher trat vor und setzte sich dicht neben die Marinesoldaten. Es war eine kluge Entscheidung; der einzige Paschto-Dolmetscher, den es gab, hatte einige Schwierigkeiten mit den Amerikanern bekommen, weil er seinem afghanischen Landsmann nichts hatte entlocken können. Jetzt hatte er nichts mehr zu tun und sah das Ende eines ziemlich komfortablen Lebens auf sich zukommen.
In Gitmo waren nie mehr als sieben Paschtunen gewesen: die sieben, die fünf Jahre zuvor in Kundus irrtümlich der Gruppe der ausländischen Kämpfer zugerechnet worden waren. Vier waren schon zurückgekehrt, einfache Bauernjungen, die mit beträchtlicher Begeisterung jedem
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