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Der Afghane

Der Afghane

Titel: Der Afghane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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islamischen Extremismus abgeschworen hatten. Die beiden andern hatten so komplette Nervenzusammenbrüche erlitten, dass sie immer noch in psychiatrischer Behandlung waren. Der Taliban-Kommandant war der letzte.
    Der Anklagevertreter machte den Anfang, und der Dolmetscher wiederholte seine Worte in einem Schwall von gutturalem Arabisch. Kern der Übersetzung war: Die Yankees sperren dich wieder in den Knast und schmeißen den Schlüssel weg, du arrogantes Stück Taliban-Scheiße. Langsam senkte Izmat Khan den Blick und fixierte den Dolmetscher. Seine Augen sagten alles. Von jetzt an beließ es der im Libanon geborene Amerikaner bei einer wörtlichen Übersetzung. Der Mann mochte einen lächerlichen orangegelben Overall tragen und an Händen und Füßen gefesselt sein, aber bei diesem Scheißkerl konnte man nie wissen.
    Der Vertreter der Anklage brauchte nicht lange. Mit Nachdruck führte er an, dass der Mann fünf Jahre lang buchstäblich geschwiegen und sich geweigert habe, seine Mitstreiter im Terrorkrieg gegen die USA zu benennen; außerdem sei er an einem Gefangenenaufstand beteiligt gewesen, bei dem ein Amerikaner auf brutale Weise zu Tode getreten worden war. Dann setzte er sich. Er zweifelte nicht am Ergebnis. Der Mann würde noch jahrelang in Haft bleiben.
    Der Bürgerrechtsanwalt brauchte ein bisschen länger. Er zeigte sich erfreut darüber, dass der Gefangene als afghanischer Staatsbürger absolut nichts mit der Barbarei des 11. September zu tun habe. Er habe zu jener Zeit in einem innerafghanischen Bürgerkrieg gekämpft und habe keinerlei Verbindung zu den Arabern hinter al-Qaida. Was Mullah Omar und die afghanische Regierung angehe, die Bin Laden und seinen Komplizen Unterschlupf gewährt habe, so sei dies eine Diktatur, der Mr. Khan als Offizier diente, ohne ihr jedoch anzugehören.
    »Ich muss dieses Gericht eindringlich bitten, der Realität ins Auge zu sehen«, schloss er. »Wenn dieser Mann ein Problem ist, dann ist er ein afghanisches Problem. Dort gibt es jetzt eine neue, demokratisch gewählte Regierung. Wir sollten ihn zurückschicken, damit man sich dort mit ihm befasst.«
    Die drei Richter zogen sich zur Beratung zurück. Sie blieben dreißig Minuten draußen. Als sie zurückkamen, war die Offizierin rot vor Zorn. Sie konnte immer noch nicht fassen, was sie gehört hatte. Nur der Colonel und der Major hatten eine Unterredung mit höchster Stelle gehabt, und sie kannten die Anweisungen.
    »Gefangener Khan, erheben Sie sich. Dieses Gericht wurde darauf aufmerksam gemacht, dass die Regierung Präsident Karsais zugesagt hat, Sie zu lebenslanger Haft zu verurteilen, wenn Sie in Ihr Heimatland zurückgebracht werden. In Anbetracht dessen wird das Gericht den amerikanischen Steuerzahler nicht länger mit Ihnen belasten. Man wird Ihre Rückführung nach Kabul veranlassen. Sie werden dorthin zurückkehren, wie Sie hergekommen sind – in Fesseln. Das ist alles. Die Verhandlung ist geschlossen.«
    Die Offizierin war nicht die Einzige, die schockiert war. Der Anklagevertreter fragte sich, wie das in seinem Lebenslauf aussehen würde. Dem Verteidiger wurde ein wenig schwindlig. Und der Dolmetscher hatte einen panischen Augenblick lang befürchtet, der wahnsinnige Colonel werde dem Gefangenen die Handschellen abnehmen lassen – dann wäre er, der brave Sohn Beiruts, geradewegs aus dem Fenster geflogen.
     
    Das britische Foreign & Commonwealth Office liegt in der King Charles Street, in unmittelbarer Nähe von Whitehall und in Sichtweite des Fensters, vor dem König Karl I. enthauptet wurde. Das Neujahrsfest war vorüber, und das kleine Protokollteam, das im Sommer zuvor aufgestellt worden war, nahm seine Arbeit wieder auf.
    Seine Aufgabe war es, die immer komplexer werdenden Details der bevorstehenden G8-Konferenz 2007 mit den Amerikanern zu koordinieren. 2005 hatte das Gipfeltreffen der acht reichsten Länder der Welt im Gleneagles Hotel in Schottland stattgefunden, und es war bis zu einem gewissen Punkt erfolgreich gewesen. Dieser Punkt jedoch waren wie immer die lautstarken Massen von Protestierenden. Sie bildeten ein Problem, das mit jedem Jahr schlimmer wurde. In Gleneagles musste die Landschaft von Perthshire im meilenweiten Umkreis durch Maschendrahtzäune entstellt werden, damit das gesamte Anwesen von einem Sicherheitskordon umgeben war. Auch die Zufahrtsstraße hatte man einzäunen und bewachen müssen.
    Angeführt von zwei alternden Popstars, war der Ruf an eine Million Protestierer gegen die

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