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Der Afghane

Der Afghane

Titel: Der Afghane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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hinterlassen hatte. Die Nähte waren groß, unsauber und schief, und er zog die Wundränder so zusammen, dass sie wulstig verheilen würden. Es sollte aussehen wie eine Arbeit, die in einem Höhlenlazarett im Feld gemacht worden war, und es waren sechs Nähte.
    »Sie müssen verstehen«, sagte er, bevor er ging, »diese Narbe soll über fünfzehn Jahre alt sein. Ein Chirurg würde wahrscheinlich auf den ersten Blick erkennen, dass das nicht möglich ist, aber ein medizinischer Laie dürfte sich nichts weiter dabei denken. Zumal wenn sie noch zwölf Wochen Zeit hat, sich zu beruhigen.«
    Das war Anfang November. Bis Weihnachten hatten die Natur und der Körper eines durchtrainierten Vierundvierzigjährigen gute Arbeit geleistet. Alle Schwellungen und Rötungen waren verschwunden.
     

NEUN
    »Wenn Sie dahin gehen, wohin ich glaube, dass Sie gehen, junger Mann«, sagte Tamian Godfrey auf einer ihrer täglichen Wanderungen, »dann werden Sie wahrscheinlich unterschiedlichen Ebenen von Aggressivität und Fanatismus begegnen, die Sie bewältigen müssen. Im Kern liegt ein selbst erklärter Dschihad oder heiliger Krieg, aber die verschiedenen Gruppen gelangen auf verschiedenen Wegen dorthin, und sie verhalten sich auf verschiedene Weise. Sie sind bei weitem nicht alle gleich.«
    »Mit dem Wahhabismus fängt es anscheinend an«, sagte Martin.
    »In gewisser Weise ja, doch wir dürfen nicht vergessen, dass der Wahhabismus die Staatsreligion Saudi-Arabiens ist und dass Osama bin Laden dem saudischen Establishment den Krieg erklärt hat, weil sie Ketzer sind. Viele Gruppen des extremistischen Flügels haben die Lehren Muhammad al-Wahhabs weit hinter sich gelassen. Er war ein Prediger im achtzehnten Jahrhundert, der aus dem Nadschd kam, dem ödesten, härtesten Teil des Landesinneren auf der saudischen Halbinsel. Er hinterließ die strengsten und intolerantesten unter den vielen, vielen Koraninterpretationen. Das war damals, aber das hier ist heute. Er hat Nachfolger. Der saudische Wahhabismus hat dem Westen oder dem Christentum nicht den Krieg erklärt, und er tritt auch nicht für wahllosen Massenmord ein, schon gar nicht an Frauen und Kindern. Was Wahhab hinterlassen hat, ist das Saatbeet einer totalen Intoleranz, in dem die Terror-Chefs von heute ihre jungen Setzlinge heranziehen konnten, um sie schließlich zu Killern zu machen.«
    »Warum sind sie dann nicht immer noch auf die arabische Halbinsel beschränkt?«, fragte Martin.
    Najib Qureshi schaltete sich ein. »Weil Saudi-Arabien dreißig Jahre lang seine Petrodollars dazu benutzt hat, seine Staatsreligion zu internationalisieren und auf jedes islamische Land der Welt zu übertragen. Dazu gehört auch mein Heimatland. Es gibt keinen Grund zu der Annahme, dass irgendeiner von ihnen wusste, was für ein Monstrum sie da freisetzten, oder dass es sich zum Massenmord würde dirigieren lassen. Tatsächlich muss man vermuten, dass Saudi-Arabien, wenn auch ein wenig spät, inzwischen selbst Angst vor dem Ungeheuer hat, das es drei Jahrzehnte lang finanziert hat.«
    »Und warum hat al-Qaida dem Ursprungsland ihres Glaubens und ihrer finanziellen Mittel den Krieg erklärt?«
    »Weil andere Propheten gekommen sind, noch intolerantere, noch extremere. Sie predigen nicht nur Intoleranz gegen alles Nichtislamische, sondern auch Angriff und Vernichtung. Die saudische Regierung wird geschmäht, weil sie mit dem Westen Geschäfte macht und zulässt, dass US-Truppen ihren heiligen Boden betreten. Und es trifft auch jede säkulare Muslimregierung. In den Augen der Fanatiker sind die genauso schuldig wie Christen und Juden.«
    »Und wem, glauben Sie, werde ich auf meinen Reisen begegnen, Tamian?« Die alte Dame fand einen Felsen, so groß wie ein Stuhl, und setzte sich darauf, um ihre Beine auszuruhen.
    »Es gibt zahlreiche Gruppen, aber im Kern sind es zwei. Kennen Sie das Wort ›Salafi‹?«
    »Ich habe es schon gehört«, sagte Martin.
    »Das Motto dieser Brigade lautet ›zurück zu den Anfängen‹. Im Grunde geht es ihnen darum, das große goldene Zeitalter des Islam wiederherzustellen. Zurück zu den ersten vier Kalifaten, die mehr als tausend Jahre in der Vergangenheit liegen. Wilde Bärte, Sandalen, wehende Gewänder. Die Scharia – das strenge islamische Recht. Die Absage an alles Moderne und an den Westen, der es gebracht hat. Ein solches Paradies auf Erden kann es natürlich nicht geben, aber von der Realität haben Fanatiker sich noch nie schrecken lassen. In der Verfolgung

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