Der Afghane
Armut der Welt zu einem Marsch durch das nahe gelegene Edinburgh ergangen. Und das war nur die Anti-Armut-Brigade. Danach hatten die Kohorten der Globalisierungsgegner ihre Mehlbomben geworfen und ihre Transparente geschwenkt.
»Wissen diese Schwachköpfe nicht, dass der globale Handel den Reichtum hervorbringt, mit dem man die Armut bekämpfen kann?«, hatte ein wütender Diplomat gefragt. Die Antwort war: anscheinend nicht.
An Genua erinnerte man sich mit Schaudern. Darum wurde die Idee aus dem Weißen Haus, das der Gastgeber für 2007 sein würde, als genial einfach, elegant und brillant gerühmt. Es würde eine luxuriöser, aber völlig isolierter Ort sein, unangreifbar, unerreichbar, absolut sicher. Es waren die Unmengen von Details, die das Protokollteam beschäftigten. Dazu kam die Vorverlegung des Termins auf Mitte April, die etwas mit dem beginnenden Vorwahlkampf in den USA zu tun hatte. Das britische Team akzeptierte, was beschlossen und verkündet worden war, und machte sich an seine administrative Arbeit.
Weit weg im Südosten begannen zwei riesige C-5 Galaxies der U. S. Air Force mit dem Anflug auf das Sultanat Oman. Sie waren an der Ostküste der USA gestartet und unterwegs über den Azoren von einem Tankflugzeug in der Luft aufgetankt worden. Die beiden fliegenden Giganten kamen aus der untergehenden Sonne über den Bergen von Dhofari auf Ostkurs herein und baten die angloamerikanische Luftwaffenbasis in der Wüste von Thumrait um Landeanweisungen.
In ihren gewaltigen Bäuchen verbarg sich eine komplette Militäreinheit. Die eine Maschine enthielt die Quartiere: flach gepackte, schnell errichtbare Baracken, Generatoren, Klima- und Kühlanlagen, Fernsehantennen und sogar die Korkenzieher für das fünfzehnköpfige technische Team. Die andere trug das, was man als »das scharfe Ende« bezeichnet: zwei unbemannte Aufklärungsdrohnen vom Typ Predator, ihre Lenk- und Bildgebungssysteme und die Männer und Frauen, die sie bedienen würden.
Eine Woche später war alles eingerichtet. Am hinteren Ende der Luftwaffenbasis, für alle nicht zur Einheit gehörenden Personen gesperrt, standen die Bungalows, die Klimaanlagen summten, die Latrinen waren gegraben, und die Küche war in Betrieb genommen. Unter ihren gewölbten Unterständen warteten die beiden Predators auf ihren Einsatz. Diese Luftaufklärungseinheit hatte eine direkte Verbindung nach Tampa, Florida, und nach Edzell in Schottland. Irgendwann würde sie erfahren, was sie – bei Tag und Nacht, bei Regen und Sturm – beobachten, fotografieren und zurücksenden sollte. Bis dahin warteten Menschen und Maschinen in der Hitze.
Mike Martins Abschlussbriefing dauerte volle drei Tage und war so wichtig, dass Marek Gumienny mit dem Grumman der CIA herübergeflogen kam. Steve Hill kam aus London herauf, und die beiden Chefs trafen sich mit ihren Einsatzleitern McDonald und Phillips.
Sie waren nur zu fünft im Raum; Gordon Phillips übernahm das, was er die »Diavorführung« nannte, selbst. Die Technik war allerdings sehr viel höher entwickelt als ein altmodischer Diaprojektor: Perfekt in Farbe und Detail erschien Bild um Bild auf einem HD-Plasmabildschirm, wobei eine Berührung der Fernbedienung genügte, um jedes Detail so weit zu vergrößern, dass es den Bildschirm ausfüllte.
Sinn des Briefings war es, Mike Martin jede einzelne Information im Besitz des westlichen Nachrichtendienstverbundes zu präsentieren, was die Gesichter betraf, denen er womöglich begegnen würde.
Diese Informationen stammten nicht nur von den angloamerikanischen Diensten. Über vierzig Staaten lieferten ihre Entdeckungen an zentrale Datenbanken. Mit Ausnahme von »Schurkenstaaten« wie Iran und Syrien und gescheiterten Ländern wie Somalia machten Regierungen rund um den Globus ihre Erkenntnisse über Terroristen ultraaggressiver islamistischer Ausrichtung einander zugänglich.
Rabat war von unschätzbarem Wert, was die eigenen Marokkaner anging. Aden lieferte Namen und Gesichter aus Süd-Jemen. Riad hatte seine Verlegenheit überwunden und sandte ganze Kolonnen von Konterfeis aus den saudischen Listen.
Martin studierte sie alle, als sie vor ihm aufstrahlten. Manche waren frontale Polizeiporträts, andere Aufnahmen, die heimlich mit starken Teleobjektiven auf Straßen und in Hotels gemacht worden waren. Die Gesichter wurden in allen möglichen Variationen gezeigt: mit und ohne Bart, arabisch und westlich gekleidet, mit langem Haar, mit kurzem Haar, kahl
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