Der Afghane
größten und reichsten – Dubai, Abu Dhabi und Sharjah – fallen jedem gleich ein. Die vier anderen sind viel kleiner, viel ärmer und praktisch anonym. Zwei von ihnen, Ajman und Umm-al-Quwain, liegen unmittelbar neben Dubai, dessen Ölreichtum es zu dem am höchsten entwickelten der sieben Länder gemacht hat. Fujairah liegt auf der anderen Seite der Halbinsel und blickt ostwärts auf den Golf von Oman, und der siebente Staat ist Ras al-Khaimah.
Ras al-Khaimah liegt an derselben Küste wie Dubai, aber hoch oben an der Straße von Hormuz. Es ist bettelarm und ultratraditionell. Die Geschenke Saudi-Arabiens hat es deshalb stets begierig entgegengenommen – unter anderem mit beträchtlichen Mitteln ausgestattete Moscheen und Schulen, die aber allesamt die Lehren des Wahhabismus predigten. Ras al-K, wie man es im Westen nennt, ist die Heimat des Fundamentalismus und der Sympathie für al-Qaida und den Dschihad in dieser Region. Auf der Backbordseite der langsam kreuzenden Dhau würde es als Erstes auftauchen.
Als die Sonne unterging, war es so weit.
»Du hast keine Papiere«, sagte der Kapitän zu seinem Gast, »und ich kann dir auch keine beschaffen. Aber das macht nichts – Papiere waren ohnehin schon immer eine lästige Erfindung des Westens. Wichtiger ist Geld. Nimm das.«
Er drückte Martin ein Bündel Dirhams in die Hand. Im Dämmerlicht glitten sie an der Stadt vorbei, ungefähr eine Meile weit vom Ufer entfernt. Die ersten Lichter flackerten zwischen den Häusern auf.
»Weiter unten an der Küste setze ich dich ab«, sagte Bin Selim. »Du wirst die Küstenstraße suchen und zu Fuß zurückgehen. Ich kenne ein kleines Gasthaus in der Altstadt. Es ist billig, sauber und diskret. Steig dort ab. Und geh nicht aus. Du wirst dort sicher sein, und, inshallah, vielleicht habe ich Freunde, die dir helfen können.«
Es war dunkel, als Martin die Lichter eines großen Hotels vor sich sah und die Rasha auf das Ufer zusteuerte. Bin Selim kannte es gut: Es war die umgebaute Festung Hamra, es hatte einen Beach Club für seine ausländischen Gäste, und der Club hatte einen Bootsanleger. Nach Einbruch der Dunkelheit würde dort niemand mehr sein.
»Er verlässt die Dhau«, sagte eine Stimme in der Operationszentrale in Edzell. Trotz der Dunkelheit sah die Infrarotkamera des Predators aus zwanzigtausend Fuß Höhe, wie die Gestalt geschmeidig von der Dhau auf die Mole sprang. Das Handelsschiff ließ seine Maschine rückwärts laufen und zog sich auf das offene Meer zurück.
»Vergessen Sie das Boot, bleiben Sie bei dem Mann«, sagte Gordon Phillips, der dem Operator am Bildschirm über die Schulter schaute. Die Anweisung ging nach Thumrait, der Predator bekam den Befehl, dem thermischen Bild des Mannes zu folgen, der da auf der Küstenstraße zurück nach Ras al-K wanderte.
Es war ein Weg von fünf Meilen, und Martin erreichte die Altstadt gegen Mitternacht. Zweimal musste er sich erkundigen, dann hatte er das Gasthaus gefunden. Es lag fünfhundert Meter weit vom Heim der Familie al-Shehhi entfernt. Aus dieser Familie stammte Marwan al-Shehhi, der am 11. September das Flugzeug in den Südturm des World Trade Centers gesteuert hatte. Noch immer galt er hier als Volksheld.
Der Gastwirt zeigte sich mürrisch und misstrauisch, bis Martin den Namen Faisal bin Selims erwähnte. Dies und der Anblick eines Bündels Dirhams entspannten die Atmosphäre. Martin wurde hereingebeten und in ein schlichtes Zimmer geführt. Anscheinend waren nur zwei weitere Gäste im Haus, und sie hatten sich bereits zurückgezogen.
Freundlich geworden, lud der Wirt Martin zu einem Glas Tee ein, bevor er zu Bett ginge. Beim Tee erklärte Martin, er komme aus Jedda, sei aber paschtunischer Herkunft.
Mit seiner dunklen Erscheinung, dem dichten schwarzen Bart und den wiederholten Anrufungen Allahs, die den Wahren Gläubigen auszeichneten, überzeugte Martin seinen Gastgeber, dass auch er ein Rechtgläubiger sei. Sie wünschten einander eine gute Nacht und verabschiedeten sich.
Die Dhau segelte unterdessen weiter durch die Nacht. Ihr Ziel war der Hafen am Fluss al-Khor, auch bekannt als »The Creek«, der Bach, im Herzen von Dubai. Einst nicht mehr als das – ein schlammiger Bach, der nach toten Fischen roch und wo die Männer in der Hitze des Tages ihre Netze flickten, ist er heute der letzte »malerische« Bezirk der betriebsamen Hauptstadt. Er liegt dem Gold-Souk gegenüber vor den Fenstern der turmhohen westlichen Hotels. Die Handels-Dhaus
Weitere Kostenlose Bücher