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Der Afghane

Der Afghane

Titel: Der Afghane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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im Morgengrauen statt«, sagte er schließlich. »Sie wird ein paar Stunden dauern. Sie müssen gut unter Deck verstaut werden, damit die Gischt ihnen nichts anhaben kann. Dann werde ich mit herabgelassenen Segeln ablegen und dicht am Ende der Hafenmole vorbeifahren. Wenn ein Mann von dort auf das Deck springen wollte, würde es niemand bemerken.«
    Nach einer rituellen Verabschiedung ging er. Der Junge führte Martin im Dunkeln zum Hafen. Dort sah er sich die Rasha genau an, damit er sie am nächsten Morgen erkennen würde. Kurz vor elf glitt sie an der Mole vorbei. Die Lücke war zweieinhalb Meter breit, und nach einem kurzen Anlauf übersprang Martin sie knapp.
    Der Omani stand am Steuer. Faisal bin Selim begrüßte Martin mit sanftem Lächeln. Er bot seinem Gast frisches Wasser an, damit er sich die Hände waschen konnte, und gab ihm köstliche Datteln aus Muscat.
    Am Mittag breitete der ältere Mann zwei Matten vor dem Süll des Laderaums aus. Seite an Seite knieten die beiden zum Gebet nieder. Für Martin war es das erste Mal, dass er nicht in einer Menge betete, in der eine einzelne Stimme von den anderen übertönt wurde. Sein Gebet war Wort für Wort perfekt.
     
    Wenn ein Agent weit draußen in der Kälte ist, auf einer »schwarzen«, gefahrvollen Mission, sind seine Führungsoffiziere zu Hause erpicht auf jedes Zeichen dafür, dass er wohlauf ist, dass er noch lebt, noch frei ist, noch funktioniert. Dieses Zeichen kann von dem Agenten selbst kommen, durch einen Telefonanruf, eine kleine Anzeige in der Zeitung, ein Kreidezeichen an einer Wand, eine am vereinbarten Ort hinterlegte Mitteilung. Es kann von einem Beobachter kommen, der keinen Kontakt mit dem Agenten aufnimmt, ihn aber im Auge behält und meldet, was er sieht. Man nennt es »Lebenszeichen«. Nach tagelangem Schweigen werden die Führungsoffiziere sehr nervös.
    Es war Mittag in Thumrait, Frühstückszeit in Schottland, Nacht in Tampa. Thumrait und Tampa konnten sehen, was der Predator sah, doch sie wussten nicht, was es bedeutete – sie brauchten es nicht zu wissen, und so hatte man es ihnen nicht gesagt. Aber Edzell Air Base wusste es.
    Mit kristallklarer Deutlichkeit sah man, wie der Afghane die Stirn auf das Deck senkte und das Gesicht zum Himmel hob, auf und ab, und an Deck der Rasha sein Gebet sprach. Vor den Bildschirmen in der Operationszentrale brach lauter Jubel los. Wenige Sekunden danach nahm Steve Hill am Frühstückstisch einen Anruf entgegen, sprang dann auf und gab seiner Frau ganz unverhofft einen leidenschaftlichen Kuss.
    Zwei Minuten später klingelte auch das Telefon neben Marek Gumiennys Bett in Old Alexandria. Er wachte auf, hörte zu, lächelte, murmelte »Bravo« und schlief wieder ein. Der Afghane war noch auf Kurs.
     

ELF
    Unter einem guten Südwind setzte die Rasha die Segel, stellte die Maschine ab, und das Dröhnen unter Deck verstummte. Man hörte nur noch die ruhigen Geräusche der See: das Plätschern der Bugwelle, das Seufzen des Windes in den Segeln, das Knarren des Tauwerks.
    Die Dhau, beschattet von dem Predator, der unsichtbar vier Meilen hoch über ihr dahinflog, glitt an der Südküste des Iran entlang und in den Golf von Oman. Hier ging sie auf Steuerbordkurs, drehte das Segel in den Wind, der jetzt von achtern kam, und näherte sich der schmalen Lücke zwischen Iran und Arabien, der Straße von Hormuz.
    Durch diese Meerenge, wo die Spitze der omanischen Halbinsel Musandam nur acht Meilen weit von der persischen Küste entfernt ist, zog ein beständiger Strom von riesigen Tankern. Die einen lagen tief im Wasser, randvoll vom Rohöl für den energiehungrigen Westen, andere fuhren hoch aufragend den Golf hinauf, um mit saudischem oder kuwaitischem Öl beladen zu werden.
    Kleinere Schiffe wie die Dhau hielten sich dichter an der Küste und überließen den Leviathanen die tiefe Fahrrinne: Ein Supertanker kann nicht einfach anhalten, wenn ihm etwas den Weg versperrt.
    Die Rasha hatte es nicht eilig; sie drehte bei und verbrachte die Nacht zwischen den Inseln östlich der omanischen Luftwaffenbasis in Kumzar. Martin saß auf dem erhöhten Achterdeck in der milden Nacht, auf einem Plasmabildschirm in einem schottischen Luftwaffenstützpunkt immer noch deutlich zu erkennen, und sah zwei »Zigarettenboote« im Mondlicht. Er hörte das Dröhnen ihrer starken Außenbordmotoren, als sie in hohem Tempo aus den omanischen Gewässern nach Südiran hinüberfuhren.
    Das waren die Schmuggler, von denen er gehört hatte.

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