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Der Afghane

Der Afghane

Titel: Der Afghane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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Sie fühlten sich keinem Land verpflichtet, sie waren Geschäftsleute. An irgendeinem einsamen Strand im Iran oder in Belutschistan würden sie sich im Morgengrauen mit ihren Kunden treffen, ihre billigen Zigaretten abladen und – erstaunlicherweise – Angoraziegen an Bord nehmen, die in Oman so sehr begehrt waren.
    Die Ladung war mittschiffs festgezurrt, und die Besatzung klammerte sich fest, als ginge es um ihr Leben, denn bei ruhiger See erreichten ihre bleistiftschlanken Boote mit den beiden riesigen 250-PS-Außenbordern eine Geschwindigkeit von mehr als fünfzig Knoten. Sie sind nicht zu fassen, sie kennen jeden kleinen Wasserlauf und jede Bucht, und sie sind es gewohnt, in völliger Dunkelheit ohne Licht quer vor den Tankern zur sicheren Küste gegenüber zu rasen.
    Faisal bin Selim lächelte nachsichtig. Auch er war ein Schmuggler, aber er betrieb sein Geschäft mit größerer Würde als diese Vagabunden des Golfs, die er in der Ferne hörte.
    »Und wenn ich dich nach Arabien gebracht habe, mein Freund, was wirst du dann tun?«, fragte er leise. Der omanische Matrose stand im Bug; er hatte eine Angelschnur über die Reling gehängt, um vielleicht einen Fisch zum Frühstück zu fangen. Das Abendgebet hatte er mit den beiden andern gesprochen. Jetzt war die Stunde der entspannten Unterhaltung.
    »Ich weiß es nicht«, gestand der Afghane. »Ich weiß nur, dass ich in meinem eigenen Land ein toter Mann bin. Pakistan ist für mich versperrt, denn die Pakistani sind die Bluthunde der Amerikaner. Ich hoffe, dass ich andere Wahre Gläubige finden werde, und dann werde ich sie bitten, an ihrer Seite kämpfen zu dürfen.«
    »Kämpfen? Aber in den Vereinigten Arabischen Emiraten wird nicht gekämpft. Sie sind treue Verbündete des Westens. Und in Saudi-Arabien wird man dich sofort finden und zurückschicken. Also …«
    Der Afghane zuckte die Achseln.
    »Ich will nur Allah dienen. Mein Leben habe ich gelebt. Ich lege mein Schicksal in seine Hände.«
    »Und du sagst, du bist bereit, für ihn zu sterben«, sagte der höfliche Quatari.
    Mike Martin dachte an seine Kindheit und die Vorschule in Bagdad. Die meisten Schüler dort waren Iraki gewesen, aber sie gehörten zur Creme der Gesellschaft, und ihre Väter waren darauf bedacht gewesen, dass sie perfekt Englisch sprechen lernten, damit sie aufsteigen und die großen Unternehmen führen könnten, die mit London und New York Geschäfte machten. Der Unterricht hatte in englischer Sprache stattgefunden, und dazu gehörte auch das Auswendiglernen traditioneller englischer Lyrik.
    Martin hatte immer ein Lieblingsgedicht gehabt: die Geschichte von Horatius von Rom, der die letzte Brücke vor der anrückenden Armee des Hauses Tarquin verteidigte, während die Römer hinter ihm die Brücke zerschlugen. Es gab darin eine Strophe, die die Jungen immer zusammen aufgesagt hatten:
    Für jeden Mann auf dieser Erde
kommt früher oder später der Tod,
Und besser kann wohl keiner sterben
als von Übermacht bedroht
für die Asche seiner Väter
und den Tempel seines Gotts.
     
    »Wenn ich als schahid sterben kann, im Dienste seines Dschihad, natürlich«, antwortete er.
    Der Dhau-Schiffer überlegte eine Weile und wechselte dann das Thema.
    »Du trägst die Kleider eines Afghanen«, sagte er, »Man wird dich sofort bemerken. Warte.«
    Er ging unter Deck und kam mit einer frisch gewaschenen dishdasha zurück, dem weißen Baumwollgewand, das von den Schultern in gerader Linie bis zu den Knöcheln fällt.
    »Umziehen«, befahl er. »Wirf shalwar kameez und Turban über Bord.«
    Als Martin sich umgezogen hatte, reichte Bin Selim ihm ein neues Kopftuch, die rot gemusterte keffiyeh eines Golf-Arabers, und den schwarzen Kordelring, der sie festhielt.
    »Besser«, sagte der ältere Mann, nachdem die Verwandlung seines Gastes vollendet war. »Man wird dich für einen Golf-Araber halten, solange du nicht sprichst. Aber in der Gegend von Jedda gibt es eine Kolonie von Afghanen. Sie leben seit Generationen in Saudi-Arabien, doch sie sprechen wie du. Wenn du sagst, dass du von dort kommst, wird jeder Fremde dir glauben. Jetzt wollen wir schlafen. Im Morgengrauen stehen wir auf, und dann beginnt der letzte Tag unserer Reise.«
    Der Predator sah, wie sie den Anker lichteten und die Inseln hinter sich ließen. Sie segelten um die Felsenspitze von Al-Ghanam und dann nach Südwesten, an der Küste der Vereinigten Arabischen Emirate entlang.
    Zu den VAE gehören sieben Staaten, aber nur die Namen der

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