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Der Afghane

Der Afghane

Titel: Der Afghane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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Captain. Wenn ich auf ›Senden‹ drücke und nicke, werden Sie diese Nachricht mit Panik in der Stimme ins Mikrofon schreien. Oder Ihre Männer sterben, einer nach dem andern. Sind Sie so weit?«
    Kapitän Herrmann nickte. Er würde sich gar nicht verstellen müssen, um extreme Panik zu vermitteln.
    »Mayday, Mayday, Mayday. Java Star, Java Star … eine Brandkatastrophe im Maschinenraum … ich kann sie nicht retten … Meine Position ist …«
    Er wusste, dass die Position falsch war, als er sie verlas. Sie lag hundert Meilen weiter südlich in der Celebes-See. Aber er würde nicht diskutieren. Lampong schaltete den Funk ab und führte den Norweger mit vorgehaltener Waffe zurück auf die Brücke.
    Zwei seiner eigenen Leute hatten hastig das Blut und das Erbrochene auf dem Boden aufwischen müssen. Er sah die anderen acht ängstlich zusammengedrängt draußen auf der Laderaumklappe, bewacht von sechs Piraten.
    Zwei der Hijacker waren auf der Brücke geblieben. Die anderen vier warfen Rettungsflöße, Schwimmwesten und zwei aufblasbare Rettungswesten in das eine der beiden Schnellboote, das mittschiffs mit zusätzlichen Treibstofftanks ausgerüstet war.
    Als sie fertig waren, legte das Schnellboot von der Java Star ab und fuhr nach Süden davon. Bei dieser ruhigen tropischen See und mit mühelosen fünfzehn Knoten würde es in sieben Stunden hundert Meilen weiter südlich sein, und in zehn Stunden wären sie auf ihren Piratenflüssen verschwunden.
    »Neuer Kurs, Captain«, sagte Lampong höflich. Sein Ton war freundlich, aber der unversöhnliche Hass in seinem Blick zeigte, dass er für den Norweger keinerlei menschliche Regung empfand.
    Der neue Kurs führte zurück nach Nordost, hinaus aus der Inselgruppe des Sulu-Archipels und über die Staatsgrenze in philippinische Gewässer.
    Die Südprovinz der Insel Mindanao heißt Zamboanga, und Teile davon sind No-go-Areas für die philippinischen Regierungstruppen. Dieses Territorium gehört Abu Sayyaf. Hier können sie gefahrlos Rekruten anwerben und ausbilden und ihre Beute lagern. Die Java Star war Beute, auch wenn sie unverkäuflich wäre. Lampong beriet sich im lokalen Dialekt mit dem Anführer seiner Piraten. Der Mann deutete nach vorn zur Mündung eines schmalen, von undurchdringlichem Dschungel gesäumten Flusslaufs.
    »Kommen deine Leute von hier aus allein zurecht?«, fragte Lampong. Der Pirat nickte. Lampong rief einen Befehl zu der Gruppe hinüber, die die Schiffsbesatzung im Bug bewachte. Ohne darauf zu antworten, trieben sie die Seeleute an die Reling und eröffneten das Feuer. Schreiend stürzten die Männer in die warme See. Irgendwo unter ihnen witterten Haie das Blut.
    Kapitän Herrmann war so überrascht, dass er zwei oder drei Sekunden gebraucht hätte, um zu reagieren. Aber so viel Zeit blieb ihm nicht. Lampongs Kugel traf ihn in die Brust, und er kippte von der Brücke ins Meer.
    Eine halbe Stunde später hatten zwei kleine Schlepper, die ein paar Wochen zuvor gestohlen worden waren, die Java Star unter viel Gebrüll und Geschrei an ihren neuen Liegeplatz an einem soliden Teakholz-Anleger gebracht.
    Der Dschungel verbarg das Schiff nach allen Seiten und auch nach oben. Ebenso verborgen waren die beiden lang gestreckten, niedrigen, wellblechgedeckten Werkstattschuppen mit Stahlplatten, Schneidemaschinen, Schweißgeräten, Stromgenerator und Farbe.
    Der letzte verzweifelte Notruf der Java Star war von einem Dutzend Schiffen aufgefangen worden. Der angegebenen Position am nächsten war ein Kühlschiff mit frischen, leicht verderblichen Früchten für den amerikanischen Markt auf der anderen Seite des Pazifiks. Der finnische Skipper nahm unverzüglich Kurs auf die Stelle. Er fand Rettungsflöße, die auf dem Ozean dümpelten; sie hatten sich automatisch geöffnet und aufgeblasen. Er umkreiste sie einmal und sah die Schwimmwesten und die beiden aufgeblasenen Rettungswesten. Alle waren mit demselben Namen bedruckt: MV Java Star. Kapitän Raikkonen hielt sich an das Seerecht: Er ließ die Maschinen stoppen und eine Pinasse zu Wasser bringen, um einen Blick in die Rettungsflöße zu werfen. Sie waren leer, also ließ er sie versenken. Er hatte jetzt mehrere Stunden verloren und konnte nicht länger warten. Es hatte keinen Sinn.
    Schweren Herzens meldete er über Funk, dass die Java Star mit ihrer ganzen Besatzung verloren war. Im fernen London wurde die Meldung von Lloyd's International aufgenommen, und in Ipswich, Großbritannien, wurde der Verlust ins

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