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Der Afghane

Der Afghane

Titel: Der Afghane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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ZWÖLF
    Al-Khattab blieb eine Woche weg. Martin saß in seiner Zelle, und nur der Koran leistete ihm Gesellschaft. Bald, das spürte er, würde er zu der angesehenen Schar derer gehören, die jeden der 6666 Verse auswendig hersagen konnten. Aber die Jahre bei den Special Forces hatten ihm die unter Menschen seltene Gabe verschafft, außergewöhnlich lange bewegungslos dazusitzen und der Langeweile und der Nervosität zu trotzen.
    So trainierte er von neuem die Anpassung an das kontemplative Innenleben, das allein verhindern kann, dass ein Mann in Einzelhaft dem Wahnsinn verfällt.
    Dieses Talent verhinderte indessen nicht, dass die Atmosphäre in der Operationszentrale in Edzell sehr angespannt wurde. Sie hatten ihren Mann verloren, und die Nachfragen von Marek Gumienny in Langley und Steve Hill in London wurden immer drängender. Der Predator bekam einen doppelten Auftrag: Er sollte Ras al-Khaimah beobachten für den Fall, dass Crowbar wieder zum Vorschein käme, und er sollte die Dhau Rasha überwachen, wenn sie im Golf auftauchte und irgendwo in den Vereinigten Arabischen Emiraten festmachte.
    Dr. al-Khattab kam zurück, nachdem er jeden Aspekt der Geschichte, soweit sie Guantanamo Bay betraf, verifiziert hatte. Das war nicht leicht gewesen. Er hatte nicht die leiseste Absicht, sich einem der vier britischen Insassen, die nach Hause entlassen worden waren, zu offenbaren. Sie alle hatten wiederholt erklärt, sie seien keine Extremisten, und sie seien nur zufällig in das Netz der Amerikaner geraten. Was immer die Amerikaner dachten, al-Qaida konnte bestätigen, dass sie die Wahrheit sagten.
    Die Sache wurde dadurch weiter erschwert, dass Izmat Khan wegen seiner mangelnden Kooperationsbereitschaft so lange Zeit in Einzelhaft verbracht hatte. Deshalb hatte kein anderer Häftling ihn näher kennen gelernt. Er verhehlte nicht, dass er ein paar Brocken Englisch aufgeschnappt hatte, aber nur in den endlosen Vernehmungen, wenn er den CIA-Mann und dann die Übersetzung des Paschto-Dolmetschers gehört hatte.
    Nach allem, was Dr. al-Khattab in Erfahrung bringen konnte, hatte sein Gefangener keine einzige falsche Angabe gemacht. Das wenige, das aus Afghanistan zu hören war, deutete darauf hin, dass der Ausbruch aus dem Gefängnisbus auf der Fahrt von Bagram nach Pul-i-Charki tatsächlich echt gewesen war. Er konnte natürlich nicht wissen, dass diese Episode von dem tüchtigen Leiter der SIS-Niederlassung in der britischen Botschaft inszeniert worden war. Brigadier Yusuf hatte seinen Zorn sehr überzeugend gespielt, und die Agenten der wiedererstarkenden Taliban hatten ihm geglaubt. Und das hatten sie auch auf Nachfrage von al-Qaida gesagt.
    »Kehren wir noch einmal zu Ihrer Vergangenheit in Tora Bora zurück«, schlug al-Khattab vor, als er sein Verhör fortsetzte. »Erzählen Sie mir von Ihrer Kindheit.«
    Al-Khattab war clever, aber er konnte nicht ahnen, dass Martin, auch wenn er ein Doppelgänger war, sich in den Bergen Afghanistans besser auskannte als er. In den sechs Monaten, die der Kuwaiti in den terroristischen Ausbildungslagern verbracht hatte, war er ausschließlich mit anderen Arabern zusammen gewesen, nicht mit Paschtunen aus den Bergen. Er machte sich zahlreiche Notizen; sogar die Namen der Früchte, die in den Gärten von Maloko-zai gewachsen waren, schrieb er sich auf. Seine Hand huschte über den Schreibblock und füllte Seite um Seite.
    Am dritten Tag der zweiten Sitzung kamen sie zu dem Tag, der sich als entscheidender Wendepunkt in Izmat Khans Leben erweisen sollte: zum 20. August 1998, als die Tomahawk-Cruise-Missiles in den Berg krachten.
    »Ah, ja, das ist wirklich tragisch«, sagte al-Khattab leise.
    »Und merkwürdig, denn Sie müssen der einzige Afghane sein, für den kein lebender Verwandter mehr bürgen könnte. Das ist ein bemerkenswerter Zufall, und als Naturwissenschaftler hasse ich Zufälle. Wie hat dieses Ereignis auf Sie gewirkt?«
    Tatsächlich hatte sich Izmat Khan in Guantanamo geweigert, darüber zu sprechen, warum er die Amerikaner mit solcher Leidenschaft hasste. Informationen von anderen Kämpfern, die Qala-i-Jangi überlebt hatten und in Camp Delta gelandet waren, hatten diese Lücke gefüllt. In der Taliban-Armee war Izmat Khan zu einer Ikone geworden, und an den Lagerfeuern erzählte man seine Geschichte in ehrfürchtigem Flüsterton: Er war ein Mann, der immun gegen Angst war. Die

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