Der Afghane
Liverpool. Als die Java Star schließlich hereingeschleppt wurde, wusste er schon, was er zu tun hatte, und machte sich an die Arbeit.
Der Umbau von Schiffen war seine Spezialität, und mehr als fünfzig Frachter, die unter falschen Namen und mit falschen Papieren die Meere Südostasiens befuhren, hatten dank Mr. Wei auch ein falsches Aussehen. Er hatte gesagt, er brauche zwei Wochen, und man hatte ihm drei gegeben – aber nicht eine Stunde länger. Innerhalb dieser Zeit würde aus der Java Star die Countess of Richmond werden. Das wusste Mr. Wei nicht. Er brauchte es auch nicht zu wissen.
Auf den Fotos, die er studierte, war der Name des Schiffes wegretuschiert worden. Mr. Wei interessierte sich nicht für Namen und Papiere. Seine Sache war die äußere Form.
Teile der Java Star würden herausgeschnitten, weitere abgeschnitten werden. Andere würden aus geschweißtem Stahl neu geformt werden. Aber vor allem würde er sechs lange, stählerne Hochseecontainer bauen, die in drei Paaren von der Brücke bis zum Bug reichen würden.
Allerdings würden es keine echten Container sein. Von allen Seiten und auch von oben würden sie so aussehen, bis hin zu den Hapag-Lloyd-Beschriftungen. Noch aus nächster Nähe würden sie jede Inspektion bestehen. Zusammen würden sie jedoch einen einzigen Raum ohne Trennwände bilden, eine lang gestreckte Halle mit einem an Scharnieren befestigten, aufklappbaren Dach, zugänglich durch eine neue Luke, die unterhalb der Brücke ins Schott geschnitten werden würde, unsichtbar für jeden, der nicht wusste, wo die Entriegelung angebracht war.
Die Farbarbeiten würden Mr. Wei und sein Team nicht übernehmen. Das würden die philippinischen Terroristen tun, und der neue Name des Schiffs würde angebracht werden, wenn Mr. Wei wieder weg wäre.
An dem Tag, als er seine Schweißbrenner in Gang setzte, passierte die Countess of Richmond den Suezkanal. Als Ali Aziz al-Khattab in die Villa zurückkam, war er ein anderer Mensch. Er ließ seinem Gefangenen die Fesseln abnehmen und bat ihn zum Mittagessen an seinen Tisch. Seine Augen funkelten vor Aufregung.
»Ich habe mit dem Scheich selbst Verbindung aufgenommen«, schnurrte er. Offensichtlich erfüllte ihn diese Ehre mit grenzenlosem Stolz. Die Antwort hatte er nicht schriftlich bekommen. Sie war dem Boten in den Bergen mündlich mitgeteilt worden, und er hatte sie auswendig gelernt. Auch diese Praxis ist in den oberen Ebenen von al-Qaida sehr üblich.
Der Bote war bis zum Arabischen Golf gebracht worden, und als die Rasha anlegte, hatte er die Botschaft vor Dr. al-Khattab Wort für Wort wiederholt.
»Es gibt noch eine letzte Formalität«, sagte al-Khattab. »Würden Sie den Saum Ihrer dishdasha über den Schenkel hochziehen?«
Martin tat es. Er kannte Dr. al-Khattabs wissenschaftliche Disziplin nicht, er wusste nur, dass der Mann einen Doktortitel hatte. Hoffentlich war er kein Mediziner.
Der Kuwaiti untersuchte die Narbe mit größter Aufmerksamkeit. Sie war genau da, wo sie sein sollte. Sechs Nähte, angebracht in einer Höhle in Jaji vor neunzehn Jahren durch einen Mann, den er verehrte.
»Danke, mein Freund. Der Scheich persönlich lässt dir seine Grüße übermitteln. Was für eine unglaubliche Ehre. Er und der Doktor erinnerten sich an den jungen Kämpfer und an die Worte, die damals gesprochen wurden.
Er hat mich ermächtigt, dich in eine Mission aufzunehmen, die dem Großen Satan einen so schrecklichen Schlag versetzen wird, dass selbst die Zerstörung der Türme wie eine Kleinigkeit erscheint.
Du hast Allah dein Leben angeboten. Dein Angebot wurde angenommen. Du wirst glorreich sterben, ein echter schahid. Von dir und den anderen Märtyrern wird man noch in tausend Jahren sprechen.«
Nachdem drei Wochen Zeit verschwendet worden waren, hatte Dr. al-Khattab es jetzt eilig. Die al-Qaida-Ressourcen an der ganzen Küste wurden mobilisiert. Ein Friseur kam und verwandelte die zottige Mähne in einen westlichen Haarschnitt. Er wollte auch den Bart abschneiden. Martin protestierte. Als Muslim und Afghane wollte er seinen Bart behalten. Al-Khattab gestand ihm einen säuberlichen kleinen Spitzbart am Kinn zu, aber mehr nicht.
Suleiman machte Passfotos und legte vierundzwanzig Stunden später einen tadellosen Pass auf den Tisch, der den Eigentümer als Schiffbauingenieur aus dem entschieden prowestlichen Sultanat Bahrain auswies.
Ein Schneider erschien, nahm Martins Maße und kam mit Schuhen, Strümpfen, Hemd, Krawatte und einem
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