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Der Alchimist von Krumau

Der Alchimist von Krumau

Titel: Der Alchimist von Krumau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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glitzerte selbst im Dunkeln. Mit dem nabellosen Rumpf und dem funkelnden Schopf schien der knäbische Elf beide Verheißungen der Alchemie zu verkörpern: die Erzeugung von Gold und die Erschaffung menschlichen Lebens. Beiden Geheimnissen ließ auch die väterliche Majestät von den besten Alchimisten des Abendlandes mit fiebriger Eile nachspüren, von Edward Kelley und Bavor Radowsky, John Dee oder Vaclav Lanvin. Denn die kaiserlichen Schatzkammern waren ebenso leer wie die Kasernen des von Seuchen und Glaubensschlachten verheerten Reiches, und nur durch das zwiefache Mirakel, nur wenn Goldklumpen und Wehrknechtsbälger zu Hunderten aus der alchimistischen Retorte quollen, konnte die väterliche Majestät hoffen, Thron und Kaiserwürde zu wahren.
    »Ich werd das Wunder erzwingen«, sagte Julius, indem er dicht vor die Gittertür trat und zwei Stäbe mit den Händen umfasste, »das zwiefache Mirakel, so wie’s mir verheißen worden ist und in Gestalt dieses künstlich Geschaffenen schon anhebt, sich zu erfüllen.« Und wer will mich dann noch hindern, nach Prag zurückzukehren, setzte er in Gedanken hinzu, ja wer könnte mir dann noch das väterliche Zepter streitig machen: mir, dem Retter des heiligen Habsburgerreichs?
    Flor, der eben noch wie ohnmächtig im Stroh gehockt hatte, hob langsam den Kopf. »Kü-künstlich geschaffen!«, wiederholte er, und diesmal klang sein Echo nicht klagend, sondern eifrig, ja begeistert, als stimme er der Rede des Regenten aus tiefstem Herzen zu.
    Er rappelte sich auf, ohne Julius aus den Augen zu lassen; für Markéta hatte er kaum einen Blick. Mit tapsenden Schritten trat er auch seinerseits ans Gitter, dicht vor Julius, und legte seine Hände um dieselben Gitterstäbe wie dieser, knapp unter den weit wuchtigeren Fäusten seines Herrn. »Kü-künstlich geschaffen«, sagte er erneut, und seine heisere Stimme hallte von den Turmwänden wider, »eignen Schwa-wanz beißt!«
    Aufmerksam sah Julius den Burschen an, seine verschiedenfarbigen Augen – eines wölfisch gelb, dabei ins Braune spielend wie die meinen, dachte er, das andere grün wie die Augen Markétas. Er fasste durchs Gitter und packte Flor am Arm.
    Der Nabellose wand sich und begann aufs Neue zu seufzen und zu klagen, doch Julius hielt ihn nur umso fester. »Wo hast du deinen Meister gelassen?«, fragte er mit einer Stimme, die vor tückischer Sanftheit vibrierte. »Denn du bist doch deinem Herrn entfleucht? – Das weiß ich mit Gewissheit«, erklärte er Markéta, die starr und stumm zusah. »Mariandls Astrolog hat’s mir gleichfalls prophezeit: Der künstlich Geschaffene wird mit seinem Schöpfer hier erscheinen. Da kann er uns gleich eine weitere Probe seiner Meisterschaft geben – in den Gewölben droben am dritten Burghof, wo Wilhelms Laboratorien nur auf ihre Wiedererweckung warten.«
    Auch seine Linke schob Julius nun zwischen die Stäbe, umfasste Flors Nacken und zog ihn so nah zu sich heran, wie das rostige Gitter es zuließ. Dann beugte er sich zu dem um Haupteslänge Kleineren hinab, drückte seine Lippen auf Flors und schob ihm die Zunge in den Mund, wie er’s vorhin bei Markéta erprobt hatte.
    Als der Kaiserbastard sich wieder aufrichtete und seine Hände aus dem Käfig zog, taumelte Flor von der Gittertür zurück, mit kummervollem Schrei.
    »Er schmeckt nach … Melisse und Mondkraut«, verkündete Julius nach einigem Sinnen, »nach Gold und dem Samen Saturns.«
    »Mu-mumia und Melisse«, murmelte es aus dem Halbdunkel des Kerkers, »Homunkel und … He-hezilow!«
    »Hezilow?«, rief die Baderstochter und trat zu Julius’ Verblüffung nun ihrerseits dicht an die Gittertür heran. »Bist du wirklich mit ihm gekommen? Flor, hörst du mich – mit Hezilow?«
    »He-hezilow!«, wiederholte der Goldschopfige und richtete seinen zwiefarbigen Blick auf Markéta. »Hö-hörst du mich?«

  19
     
     
    Stumm und starr sah Markéta zu, wie Julius abermals ans Gitter trat und den Nabellosen ins Verhör nahm. Sie kam sich vor wie im Traum.
    »Dann ist also jener Hezilow dein Meister, der dich erschaffen hat durch seine alchymische Magie?«
    »Mei-meister, ja!«
    Wie unheimlich diese Worte in ihren Ohren klangen, und wie sehr sie gleichwohl hoffte, dass Julius weiter und weiter fragen möge, damit sie neben ihm stehen bleiben und ihn unverwandt ansehen könnte: seine schlanke, kraftvolle Hünengestalt, sein kühnes Profil mit dem spitzen Kinn und dem düsteren Zug um seine Lippen, die schon wieder vor Schmerz

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