Der Alchimist von Krumau
sind wahrhaftig hinter ihm her.«
D’Alembert deutete eine Verbeugung in Richtung der gräflichen Bettstatt an. »Wenn Ihr gestattet, sprechen wir später weiter, Excellence. Sicher ist es in Eurem Sinn, wenn ich Madame begleite.«
Noch während er sprach, eilte Markéta zur Tür. Auf der Schwelle wandte sie sich noch einmal um zu Julius, der unter seinem Samthimmel saß und ihr mit verlorenem Lächeln hinterhersah.
Abermals erklang von den Fenstern her der keckernde Schrei.
»Kékéta, hi-hilf!«
Erst als sie draußen durchs Vorzimmer hastete, vorbei an Robert, der ihr mit weit aufgerissenen Augen entgegenschaute, wurde ihr bewusst, dass sie sich von Don Julius nicht einmal verabschiedet hatte, geschweige denn sich für das delikate Frühstück bedankt. Ich hoff auf baldige Wiederholung, Exzellenz, dachte sie, wie schade, dass wir gestört wurden, ehe unsere Zungenspitzen sich in der Mitte des Marzipanstabs trafen. – Heda, Mädchen, was soll Hochwürden Hasek zu solchen Ferkeleien sagen?, stellte sie sich selbst zur Rede; währenddessen lief sie schon durch den Flur und die Treppe hinab, barfuß neben dem Maître, der in seinen weißen Schnabelschuhen dahinglitt wie in venezianischen Gondeln.
Seite an Seite traten Markéta und d’Alembert unten aus der Tür, in den Schein der Mittagssonne, der die antikischen Wandgemälde erstrahlen ließ.
»Der nabellose Knabe scheint oben im Park zu sein«, sagte er in beiläufigem Tonfall.
Nie zuvor in ihrem Leben war Markéta einem Menschen begegnet, der sich so vollkommen in der Gewalt hatte wie Maître Charles d’Alembert. Sie wandten sich nach rechts, ihre Schritte aufs Neue beschleunigend. Im Trab durchquerten sie den vierten Burghof, wo die Syrakuser und etliche weitere Jugend müßig wie Katzen in der Sonne lagen.
»Wenn sie ihm auch nur ein Härchen krümmen …!« Sie stieß es hervor und wusste dann nicht, wie sie ihren Satz beenden sollte, nicht nur des steilen Anstiegs zum Schlosspark wegen, der ihnen beiden die Atemluft nahm. In ihrer Vorstellung lag sie auf einmal rücklings neben Julius, der sich über sie beugte, um Kastanienpaste von ihrer Haut zu schlecken, und die Bauchdecke zog sich ihr zusammen vor lüsternem Behagen, Rasch und reuig dachte sie wieder an den armen Flor, der oben durch den Park hetzen mochte, von den Häschern des Puppenmachers gejagt. »Wenn Hezilow auf der Burg bleibt«, sagte sie keuchend, »muss Flor fort von hier – und ich mit ihm.«
»Das wird keinesfalls gehen«, wandte d’Alembert ein, »Don Julius hat befohlen …« Aber Markéta hörte nicht länger auf ihn. Eben erreichten sie die Ebene über der Burg, wo sich der Schlosspark befand, mit dem künstlich angelegten, streng rechteckig geformten Teich in der Mitte, den eine breite Eichenallee säumte.
Auf der kreisrunden Schwaneninsel inmitten des Gewässers hockte Flor, ein blitzendes Ding in der Hand. Aufgestört fauchten die schwarzen Schwäne, die sich im Dutzend am Rand der Insel versammelt hatten, das Gefieder gebläht und die Hälse gereckt. An jeder Ecke des Teichs stand ein Soldat der gräflichen Salvaguardia, alle vier reglos wie Statuen und offenbar nicht gewillt, zugunsten des Nabellosen einzugreifen. Im Wasser aber trieben nicht weniger als fünf plumpe Boote, die das Eiland in geringer Entfernung umkreisten, besetzt mit ebenso vielen Lumpenkerlen aus Hezilows Gefolge.
»Ich muss zu ihm«, rief Markéta aus, »sofort, Monsieur!« Charles d’Alembert fasste sie am Arm, als ob er sie zurückhalten wollte. Dann jedoch führte er sie geradewegs auf den Wächter zu, der ihnen am nächsten postiert war. »Steigt ein, Madame«, sagte er, auf das am Ufer liegende Boot deutend,
»der Soldat wird Euch zur Insel rudern. Die anderen drei Gardisten sorgen unterdessen dafür, dass Euch kein Leid geschieht, notfalls mit Hilfe ihrer Gewehre.«
Tröstlich gemeinte Worte, dachte Markéta, auch wenn sie weit eher beunruhigend klangen. Und doch fühlte sie sich gelassen und bereit, Flor zu Hilfe zu eilen, als sie ihr Kleid emporraffte und, von d’Alembert gestützt, in den altersschwachen Kahn stieg. Dann erst sah sie, mit jähem Erschrecken, die Wunde auf der Wange des Soldaten, der nach ihr ins Boot sprang, vier blutrote Striemen, die in der Mittagssonne leuchteten.
»Obacht, Badershur«, murmelte Jan Mular, fast ohne die Lippen zu bewegen, »dass bloß die Kerle da draußen dich nicht in ihre Pratzen kriegen.« Und er stemmte sich in die Riemen, dass das
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