Der Alchimist von Krumau
erschallte:
»Ké-kéta, hilf! – Hi-hilf, Ké-kéta, hilf!«
Und so immer weiter, unterbrochen nur vom Fauchen der Schwäne, vom Schnattern der Enten und von heiseren Flüchen der beiden Gesellen, die unschlüssige Blicke wechselten und dennoch näher und näher kamen.
Flor war aufgesprungen, dabei unablässig weiterschreiend. Der eine Lumpenkerl schnappte nach seinem Arm, der andere ließ sich blitzartig fallen, im Herniederstürzen nach seinen Fußknöcheln haschend. Keuchend kollerten sie über den Boden, auf dem Federn, Schwanenkot und dürre Zweige verstreut lagen – dazwischen ein Dolch mit krummer, stark angerosteter Klinge, den Flor gedankenschnell packte, während er immer weiter schrie: »Ké-kéta, hilf! – Hihilf, Ké-kéta, hilf!«
Anscheinend hatte der eine Lumpenkerl im Niederstürzen das Messer verloren; Flor jedenfalls nutzte den Moment der Verwirrung, als die Gesellen die Klinge in seiner Hand sahen, riss sich los und sprang neuerlich auf. Drohend schwang er die Waffe empor, dann senkte er sie, einer jähen Eingebung folgend, und drückte die Spitze auf seine linke Brust.
»Ma-markéta, hilf! – Zu-zurück, Kohlenkerl, sonst …! – Ké- kéta, hilf, Markéta!«
Unterdessen hatten seine Schreie tatsächlich eine Reihe gafflustiger oder mitleidiger Burgbewohner aufgeschreckt, darunter auch d’Alembert und die Badersmaid, nach der sich Flor immer noch die Seele aus dem Leib schrie: »Ma-markéta, hilf! – Weg, Kerl, sosonst …! – Ké-kéta, hilf, Markéta!«
29
Nachdem er ihr alles berichtet hatte, was ihm an diesem Morgen widerfahren war, auf Burg Krumau und im namenlosen Gutshaus seiner Erinnerung, wirkte Flor tief erschöpft und doch nahezu glücklich, zum ersten Mal, seit er gestern zu ihr ins Badehaus gebracht worden war. Stammelnd und mit der freien Hand fuchtelnd hatte er auf Markéta eingeredet, Schulter an Schulter neben ihr auf dem kleinen Hügel kauernd, argwöhnisch beäugt von den beiden Lumpengesellen und den ebenso finster gefiederten Schwänen, die allesamt an den Rand der Insel zurückgewichen waren, wo die Kähne im Uferschilf lagen.
Einige Schritte abseits stand Jan Mular, klein und dicklich zwischen seinem Boot und einem verlassenen Schwanennest, die Muskete im Anschlag. Abwechselnd richtete er seine Waffe auf die beiden Wirrbärte im Uferschilf und ihre drei Spießgesellen, die in den Nachen vor dem Eiland trieben. Mulars Miene verriet, dass er die Badershur und den »Apparat aus Metall und Rädern« liebend gern Hezilows Leuten ausgeliefert hätte, doch drüben am Rand des Teichs stand d’Alembert und beobachtete, die Augen gegen die Sonne beschirmend, was auf der Schwaneninsel geschah.
Ihm gegenüber, am östlichen Ufer des Schlossteichs, bemerkte Markéta auf einmal den Puppenmacher, umgeben von drei weiteren seiner bärtigen Gesellen. Für einen Moment der Verwirrung schien es ihr, als ob d’Alembert und Hezilow eine gottlose Schachpartie austrügen: mit dem See und der Allee als ihrem Spielfeld, den vier Gardisten und den fünf Lumpenkerlen als hellen und dunklen Spielfiguren – und wer wären, fragte sie sich, dann sie selbst und der arme Flor?
Der Nabellose war an ihrer Seite immer weiter hinabgerutscht, bis er endlich in ihrem Schoß zu liegen kam, den Dolch in der Linken, ein Lächeln um die Augen, deren Lider sich flatternd senkten. Überwältigt von Zärtlichkeit und Rührung sah Markéta auf ihn hinunter; solange ich bei dir bin, dachte sie wieder, soll dir nichts Arges geschehen, kleiner Flor.
In Gedanken ging sie noch einmal durch, was da förmlich aus ihm herausgebrochen war. Vieles, was sich ihrem Verstand nicht leicht erschließen wollte, hatten ihr Herz und ihre Seele ergänzt. Hezilow und seine Gesellen haben ihn entführt und in jener »finsteren Halle« gefangen gehalten, dachte sie, während d’Alembert den Gardisten mit seinem Stöckchen diskrete Zeichen machte; und in diesem Gewölbe haben sie einen boshaften Hokuspokus veranstaltet, mit dem Drachen unterm Dach und was wusste sie denn noch allem, um den armen Flor glauben zu machen, dass er im alchimistischen Labor erschaffen worden sei. Deshalb auch der Trunk, überlegte sie weiter, den Hezilow ihm eingeflößt hat, um Flors Gedächtnis auszulöschen, ehe der Puppenmacher dafür sorgte, dass Flor vor den Toren von Krumau aufgefunden wurde – just zwei Tage nachdem Don Julius in die Burg eingezogen war!
Markétas Gedanken wirbelten im Kreis. Zumindest erahnte sie nun
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