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Der Alchimist von Krumau

Der Alchimist von Krumau

Titel: Der Alchimist von Krumau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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Blasebalg traten. Dabei glühten die »Testikel des roten Leu«, wie der Russe das eherne Doppel-Ei genannt hatte, bereits hell wie zwei Sonnenbälle, und das zwischen ihnen aufragende Rohr knackte vor Hitze.
    Markéta hielt den Nabellosen an der Hand, der sich immer wieder hinter der Säule zu verstecken suchte und von Zeit zu Zeit ein Winseln hören ließ. Ansonsten herrschte Stille im Gewölbe, abgesehen vom Fauchen des Blasebalgs, dem Keuchen der beiden Gehilfen, Fondor und Tákie, und dem steten Tropfen herabrinnenden Wassers weiter hinten im Labor.
    Auf Tischen und Regalen vor dem Athanor schimmerten goldgelbe und milchig weiße Essenzen in den eigentümlich geformten Gefäßen, deren Anblick Julius’ mystische Ekstase noch weiter steigerte. Reagenzgläser, aus denen gläserne Phalli jeglicher Größenordnung ragten, Glasglocken von der Form trächtiger Weiberbäuche, Kupellen so rund und schwellend wie Mädchenbrüste, und all diese schimmernden Apparate durch Schläuche und Mündungen zu einem endlosen Akt der Zeugung und Empfängnis verbunden.
    »Wie Ihr wisst, Euer Herrlichkeit«, ließ sich Hezilow mit pfeifender Stimme vernehmen, »muss sich Athanor vier Hitzegrade erreichen: häjßer als Siedepunkt für Wasser, zwischen diesem und dem Schmelzpunkt für Schwefel, unter dem Schmelzpunkt von Zinn und genau am Schmelzpunkt für Bläj.« Er gab den beiden Gehilfen ein Zeichen, und sie ließen vom Blasebalg ab, die Gesichter unter den wirren Barten glänzend vor Schweiß.
    Der Puppenmacher deutete auf den Athanor. »Der alchimistische Ofen«, sagte er, »Euer Exzellenz längst bekannt wie eigener Hosensack; aber will Hezilow auch dem verehrten Maître und Madame Markéta ein paar nitzliche Fingerzäjge geben. – Dir nicht, Rolfenko«, fügte er mit veränderter Stimme und einer wegwerfenden Gebärde in Richtung des Nabellosen hinzu, »kennst das alles ja, seit du so klitzekläjnes Gliehwirmchen warst.« Und er zeigte die gemeinte Spanne mit Daumen und Zeigefinger; Flor wimmerte wieder und verbarg sich hinter der Säule. »Diese Kristallfenster«, fuhr der Russe fort, auf die Luken im oberen Drittel des Doppel-Eis deutend,
    »ermeeglichen Einblick ins Innere der gliehenden Hoden des Läj; bitte um Verzeihung, Madame.« Er feixte in Markétas Richtung, wieder winselte der Nabellose leise auf.
    Auf den Herdstellen standen die drei Dreibeine. Gespannt lauschte Julius den Erläuterungen des Puppenmachers, die er selbst im Schlaf hätte wiederholen können: auf den Dreibeinen die muffelbewehrte Kupelle und das so genannte Ei der Philosophen, ein fußloser Glasballon, überragt vom Pelikan, dem langen, offenen Destillierkolben mit zwei gegenüberliegenden Hähnen, die seitlich ins Ei zurückführten.
    »Alchimistische Essenz«, sagte der Russe, »aus der Hezilow bald den Stäjn der Wäjsen, das Sperma mundi transformiert, wird sich in diesem Äj beräjtet. Jede Flissigkeit, die dort durch die Hähne hineinträjfelt, fließt sich durch den Pelikan ins Äj zurick.« Dabei deutete er erst auf den Ballon, dann auf den kristallenen Kolben, der in steilem Winkel über dem Ei des Philosophen aufragte. »Wird sich diese Apparatur aber für die Transformatio von Plumbum in Gold nicht beneetigt, erst für die Erschaffung der Homunkuli.«
    Wieder das rasche Spreizen von Daumen und Zeigefinger, wieder wimmerte Flor. Flugs füllte Hezilow nun eine Kupferschale mit Wasser, setzte sie auf den Athanor und schüttete zwei Säckchen farblosen Pulvers hinein – aus dem Saft von Mondpflanzen gewonnen, wie Julius wusste. Er hatte dem Magister schwören müssen, dass er keines der alchimistischen Geheimnisse an unwürdige Personen weitergeben würde, mit einem grässlichen, blasphemischen Schwur, vor dem ihm noch in der Erinnerung schauderte.
    Fondor und Tákie standen starr neben dem Athanor, wie der tönerne Kerl aus seinem Traum, nur durch Hezilows Magie belebt. Während die Mixtur in der Kupferschale heiß wurde, nahm der Puppenmacher zwei kleine Flaschen aus dem Regal. Aus der ersten Flasche schüttelte er drei Tropfen Quecksilber in den zweiten Flakon, der mit klarem Meisterwasser gefüllt war. Sofort trübte sich das Wasser und nahm eine milchig weiße Farbe an.
    Auf dem Herd dampften unterdessen die Mondsäfte in ihrer Kupferschale. Hezilow gab die milchige Flüssigkeit aus der Flasche hinzu, wartete aufmerksam, bis die Mixtur zu kochen begann, und zog sie mit einer raschen Bewegung vom Feuer.
    Dann machte er seinem Adepten ein

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