Der Alchimist von Krumau
der Hand die Zange mit dem funkelnden Klumpen, trat Julius zu Markéta. »Für Euch, Madame.« Und er zog sie an sich, Pelikan und Becken aneinander drängend zur mystischen Vermählung.
»Trockene Substanzen werden mittels Säure zu wässrigen gelöst.«
FÜNF – SOLUTIO
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»Der Kaiser kommt!«
Tausendmal rascher, als die Moldau durch ihr Flussbett eilte, hatte sich die Nachricht verbreitet, überall in der Burg und drunten in der Stadt. Rudolf II. geruhte Krumau zu besuchen, in wenigen Tagen schon! Was für eine unerhörte Ehre! Und wem hatte man die Gnade zu verdanken: dem neuen Grafen Don Julius!
D’Alembert ging in seinem Salon auf und ab, ein ganzes Bündel hastig verfasster Schreiben in Händen. Man schrieb den 5. Juni 1607 A.D. einen Dienstag, und wie an so vielen Vormittagen war er damit beschäftigt, die Rapporte seiner Späher zu lesen und die nötigen Folgerungen zu ziehen.
Alle geheimen Zuträger berichteten mehr oder minder das Gleiche: Seit sich die Kunde vom Besuch des Kaisers verbreitet hatte, waren die Feinde des neuen Grafen, die Verkünder des Unheils und Orakel des Untergangs mit einem Schlag verstummt. Keine Rede mehr davon, dass Don Julius ein unwürdiger Nachfolger Wilhelms von Rosenberg sei, im Gegenteil: Auf einmal wollten alle immer schon gewusst und geweissagt haben, dass mit dem Bastardsohn des Kaisers eine neue Blütezeit für Krumau anbrechen werde.
In die Lobgesänge zu Ehren des jungen Grafen mochten nur zwei Krumauer Bürger nicht einstimmen: der Flößer Karel Kudaçek, dem der Kummer über das spurlose Verschwinden seines Sohnes Nicodemus den Verstand zu rauben drohte, und der Bader Sigmund Pichler, den der Entzug des gräflichen Privilegiums begreiflicherweise erbitterte.
Im Gehen durchstöberte d’Alembert das Papierbündel, bis er den gesuchten Rapport gefunden hatte. »Wie kann der Herr Graf schuld dran sein, dass der Flößersbengel abhanden gekommen ist?«, empörte sich der Späher mit einem Eifer, der ihm gar nicht zukam. »Drängt sich der Bube in die edle Jagdgesellschaft hinein, verschuldet selbst die erlittene Jagdverletzung, wird auf Kosten des Herrn Grafen im Burgspital zurechtgeflickt – und verschwindet dann, um seine Wichtigtuerei auf die Spitze zu treiben!«
So kann es sich in der Tat zugetragen haben, sagte sich der Maître, zumal sich schon vorher die Anzeichen gemehrt hatten, dass Nicodemus seine Rolle als »falscher Homunkel« zu Kopf gestiegen war. Und doch, und doch … Aus unerfindlichem Grund schien es auch d’Alembert denkbar, ja wahrscheinlich, dass es mit dem Verschwinden des kleinen Nico eine weniger harmlose Bewandtnis hatte. Auch wenn Julius selbst gewiss nicht in die Affäre verwickelt war, wie der Maître in Gedanken rasch hinzufügte.
D’Alemberts Suite lag in der oberen Burg, auf halbem Weg zwischen den Grafen-und den Frauengemächern, sodass er jederzeit in beide Richtungen antichambrieren und intervenieren konnte. Die Fenster seines Salons gingen auf das rot-schwarze Dächergewirr des Städtchens hinaus, das, vom schimmernden Band der Moldau umschlungen, wie eine gemalte Miniatur in der Sommersonne glänzte. Einen Moment lang blieb er stehen und sah auf die Stadt hinab, dann wandte er sich um und durchmaß abermals den Raum, der ganz und gar in Weiß und Silbertönen eingerichtet war.
Vor der Wand zu seiner Rechten, auf dem glänzend weißen Hirschledersofa, das er eigens aus Prag hatte überführen lassen, saßen die Syrakuser, Fabrio schmollend, Lenka mit weinerlicher Miene. Bei ihrem Anblick begann seine Bauchdecke zu flattern, als ob ein ganzes Nest voll zischelnder Schlangen unterhalb seines Nabels hauste. Schlimm genug, dachte der Maître, dass Fabrios Gegenwart seine innere Ruhe so sehr zu untergraben vermochte. Doch auch Lenka machte ihm Sorgen, seit er sie vor vier Wochen in Hezilows Gewölbe aufgefunden hatte, einen Kummer allerdings, der ihn nicht annähernd so sehr berührte wie der Anblick von Fabrios Brombeermund.
»Nun, Helena«, fragte er in absichtlich strengem Ton, »ist dir endlich eingefallen, was dort unten geschehen ist?«
Sie presste die Lippen zusammen und schüttelte den Kopf, dass ihre Locken flogen.
»Dann bleibt ihr beide weiter auf diesem Sofa sitzen«, kommandierte d’Alembert, »bis Lenka sich wieder erinnert, warum ihr Mund mit Blut verschmiert war, als ich sie im Labor des Magisters fand.«
Zwei kohlschwarze Augenpaare glühten den Maître an. D’Alembert sah
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