Der Alchimist von Krumau
bedauernd auf Fabrios üppige Lippen, die noch immer zum Schmollmund vorgeschoben waren, dann riss er sich von dem zutiefst verwirrenden Anblick los. Sein Stöckchen in der Rechten wirbelnd, marschierte er an den Zwillingen vorbei bis zur Tür, wo er mit einer eleganten Drehung wendete, um abermals dem Fenster entgegenzueilen. Zurück zu Rudolf!
Ursprünglich hatte der Kaiser bereits am Freitag in Krumau eintreffen wollen, offenbar brannten auch Ihre Majestät darauf, sich mit eigenen Augen von Hezilows Goldmacherkünsten zu überzeugen. Doch gestern zu später Abendstunde hatte ein kaiserlicher Kurier am unteren Burgtor Einlass begehrt, mit einer dringenden Depesche von Katharina da Strada: Ihre allerherrlichste Herrlichkeit, so vermeldete die kaiserliche Mätresse, könnten sich erst am Samstag auf die Reise nach Krumau begeben. Denn nach der Voraussage des Prager Hofastrologen Tycho Brahe würden Ihre Majestät, falls sie bereits am Freitag die Kutsche bestiegen, auf dieser Reise elendig zerschellen.
Mit den Jahren hatte der kaiserliche Aberglaube immer groteskere Ausmaße angenommen, sagte sich d’Alembert. Rudolf wagte keinen Schritt mehr zu gehen, keinen Bissen zu essen und bald wohl auch keinen Atemzug mehr zu tun, ohne dass seine Sterndeuter und Scharlatane das Wagnis geprüft und gebilligt hatten.
Seit Tycho Brahe auch noch prophezeit hatte, der Löwe, der in seinem Käfig im Prager Hofgarten rastlos auf und ab trottete, werde wenige Wochen vor Rudolfs Dahinscheiden verenden, war die wunderliche Majestät dem magischen Mummenschanz vollends erlegen. Jeden Morgen führte der allererste Weg des Kaisers zum Löwenkäfig, wo der mächtigste Mann der Welt sich ängstlich davon überzeugte, dass die Bestie bei guter Gesundheit, ihr Fell glänzend, ihr Appetit unersättlich war. Dabei seien Rudolfs Beine, so die Stradová weiter, seit einigen Monaten so sehr von der Gicht geschwollen, dass er an manchen Tagen nur unter fortwährendem Ächzen umherhumpeln könne.
Aber was heißt hier Scharlatan und Mummenschanz, berichtigte sich der Maître, indem er vor den Fenstern neuerlich wendete; wenn es Hezilow tatsächlich gelingt, unter den Augen des Kaisers einen ganzen Bottich voller Gold zu erzeugen, dann wird fortan nichts mehr sein, wie es einmal war. Weisheit, was unsereins für schamlose Schurkerei hielt, Wissenschaft, was uns wie auftrumpfender Aberglaube erschien, Wahrheit, was wir als Lug und Trug verdammten. Und die schönen Künste, die edelsten Leidenschaften des Menschengeschlechts? Ihrerseits bloß noch ärmliche Täuschung, kaum der albernsten Narren wert! Denn wer wollte sich fortan noch mit gemalten Schätzen und gemeißelten Figuren abgeben, wenn alchimistische Kunst wirkliches Gold und bald wohl auch lebendige Kreaturen zu erschaffen vermöchte?
Und wie sollte ich noch bezweifeln, dachte der Maître, dass der Magister auch den wundergläubigen Rudolf überzeugen wird, nachdem ich selbst mit eigenen Augen das Gold im Kupfertiegel glitzern sah?
Abermals marschierte er an den Zwillingen vorbei, die starr wie Puppen auf seinem Sofa saßen, die Arme vor der Brust verschränkt. Und doch sträubt sich mein Herz noch immer, sagte sich d’Alembert, meinen eigenen Augen zu trauen: Hat er wirklich Gold aus Plumbum transformiert, Glanz aus Dreck – er, Hezilow, der nichtswürdige Lumpenkerl, das Scheusal aus unseren Alpträumen? Oder hatte der Puppenmacher sie drunten in seinem Gewölbe allesamt verzaubert und ihnen ein Spukgold vorgegaukelt, während sein Tiegel tatsächlich nur Dreck enthielt? Nun, man wird sehen, man wird sehen, sagte sich der Maître, spätestens nächste Woche, wenn die kaiserlichen Alchimisten das angebliche Gold aus Hezilows Retorte prüfen werden.
Der Russe hatte sich zwar ausbedungen, dass kein weiterer Eingeweihter bei der Goldprobe zugegen sein dürfe – »die käjserliche Majestät und ihr herrlicher Sohn, et finito!« –, aber natürlich würden die Prager Alchimisten der rudolfinischen Akademie das vermeintliche Gold augenblicklich untersuchen, mit Säge und Waage, Feuer und Säuren, um den dreisten Nebenbuhler als Scharlatan zu demaskieren, wenn sich ihnen nur die kleinste Gelegenheit bot.
Und die Frage ist nun, dachte der Maître, sollte ich meinerseits auf Hezilow setzen – wie mein Geist mir einzuflüstern trachtet, seit ich das Gold im alchimistischen Tiegel erblickte – oder im Gegenteil trachten, den Puppenmacher des Betrugs zu überführen – wie mein Herz und
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