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Der Alchimist

Der Alchimist

Titel: Der Alchimist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paulo Coelho
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dem Kameltreiber anvertraut zu haben.
    Auf einmal verzog sich der Mund des in der Mitte sitzenden Alten zu einem kaum wahrnehmbaren Lächeln, und der Jüngling beruhigte sich. Der Alte hatte sich nicht mit den anderen beratschlagt, er hatte bisher noch kein einziges Wort gesprochen. Aber der Jüngling war inzwischen mit der Sprache der Welt vertraut und merkte, wie sich, von dem Alten ausgehend, eine friedliche Atmosphäre in dem Zelt ausbreitete. Sein Gespür sagte ihm, daß es doch richtig gewesen war, herzukommen.
    Die Unterhaltung verstummte, und alle lauschten eine Weile dem Alten. Dann wandte sich dieser an den Jüngling; jetzt war sein Gesicht kalt und unnahbar.
    »Vor dreitausend Jahren wurde in einem fernen Land ein Mann in einen Brunnen geworfen und als Sklave verkauft, weil er an Träume glaubte«, sagte der Alte. »Unsere Händler kauften ihn und brachten ihn nach Ägypten. Und ein jeder von uns weiß, daß, wer an Träume glaubt, diese auch deuten kann.« >Obwohl man das nicht immer schafft<, dachte der Jüngling und erinnerte sich an die alte Zigeunerin.
    »Wegen der Träume des Pharao von mageren und fetten Kühen konnte dieser Mann Ägypten vor der Hungersnot bewahren. Sein Name war Josef. Auch er war ein Fremder in einem fremden Land, so wie du, und er muß etwa in deinem Alter gewesen sein.« Die Stille hielt an. Die Augen des Alten blieben undurchdringlich. »Wir befolgen immer die Tradition. Die Tradition rettete die Ägypter zu jener Zeit vor dem Hunger und machte sie zum reichsten Volk. Die
    ie Tradition lehrt uns, w die Männer die Wüste zu durchqueren und ihre Töchter zu verheiraten haben. Die Tradition sagt auch, daß eine Oase ein neutraler Ort ist, denn zu beiden Seiten gibt es Oasen, und diese sind ungeschützt.« Keiner sagte ein Wort, während der Alte sprach.
    »Aber die Tradition lehrt uns auch, an die Botschaften der Wüste zu glauben. Alles, was wir wissen, haben wir von der Wüste gelernt.« Auf ein Zeichen des Alten erhoben sich alle. Die Versammlung war beendet. Die Nargileh-Pfeifen wurden ausgemacht, und die Wächter bezogen Stellung. Der Jüngling wollte auch aufbrechen, aber der Alte sagte noch zu ihm: »Morgen werden wir ein Gelübde brechen, welches besagt, daß in der Oase niemand eine Waffe tragen darf. Den ganzen Tag über werden wir auf den Feind warten. Wenn die Sonne untergegangen ist, geben mir die Männer ihre Waffen zurück. Für jeden zehnten getöteten Feind erhältst du eine Goldmünze. Jedoch dürfen die Waffen nicht aus ihren Verstecken, ohne eingesetzt zu werden. Sie sind so launisch wie die Wüste, und wenn wir sie umsonst hervorholen, können sie uns das nächste Mal ihre Dienste verwehren. Wenn also morgen keine Waffe zum Einsatz kommen sollte, so wird zumindest eine für dich benutzt werden.«
20
    Die Oase war nur vom Mondschein beleuchtet, als der Jüngling ins Freie trat. Er hatte bis zu seinem Zelt einen Weg von zwanzig Minuten zurückzulegen. All die Ereignisse, die sich zugetragen hatten, erschreckten ihn. Er war in die Weitenseele eingetaucht und mußte möglicherweise mit seinem Leben dafür bezahlen. Ein hoher Einsatz. Aber seit dem Tag, an dem er seine Schafe verkaufte, um seinem persönlichen Lebensweg zu folgen, gab er immer hohe Einsätze. Und wie sagte doch der Kameltreiber: Morgen zu sterben ist ebensogut wie an jedem anderen Tag. Jeder Tag ist dazu da, um gelebt zu werden oder um an ihm die Welt zu verlassen. Alles hing nur von einem Wort ab: Maktub.
    Er ging ruhig dahin und bereute nichts. Wenn er morgen sterben würde, dann deshalb, weil Gott keine Lust verspürte, die Zukunft abzuändern. Immerhin würde er sterben, nachdem er die Meerenge überquert hatte, in einem Kristallwarengeschäft tätig war, die Stille der Wüste kennengelernt hatte und die Augen von Fatima. Er hatte jeden einzelnen Tag intensiv gelebt, seit er vor langer Zeit von zu Hause fortging. Wenn er morgen sterben sollte, so hatten seine Augen viel mehr gesehen als die Augen anderer Hirten, und darauf war er stolz. Plötzlich vernahm er ein Grollen, und er wurde von einem Windstoß von ungeahnter Kraft zu Boden geworfen. Um ihn her war eine riesige Staubwolke, die den Mond fast verdeckte. Vor ihm bäumte sich ein riesiger Schimmel auf, der ein unheimliches Wiehern ausstieß. Der Jüngling konnte kaum etwas erkennen, aber eine Angst überwältigte ihn, wie er sie noch nie gekannt hatte. Auf dem Pferd saß ein Reiter ganz in Schwarz, mit einem Falken auf seiner linken

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