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Der Alchimist

Der Alchimist

Titel: Der Alchimist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paulo Coelho
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nur unter gewissen außergewöhnlichen Umständen. Und wie kann ich die Zukunft erahnen? Durch die Zeichen der Gegenwart. In der Gegenwart liegt das Geheimnis; wenn du der Gegenwart Beachtung schenkst, dann kannst du sie verbessern. Und wenn du sie verbessert hast, dann wird das Nachfolgende auch besser sein. Vergiß also die Zukunft und lebe jeden Tag deines Lebens nach den göttlichen Gesetzen und im Vertrauen, daß Gott für seine Kinder sorgt. Jeder einzelne Tag enthält die Ewigkeit in sich.« Der Kameltreiber wollte wissen, unter welchen außergewöhnlichen Umständen Gott Einblick in die Zukunft ermöglicht. »Wenn er selber ihn gewährt. Und dies geschieht äußerst selten, aus einem einzigen Grund: weil es sich um eine Zukunft handelt, die geschrieben steht, aber jederzeit geändert werden kann.« Gott hatte dem Jüngling einen kurzen Einblick in die Zukunft gewährt, weil er wollte, daß dieser ihm als Werkzeug diente.
    »Geh hin zu den Stammesoberhäuptern«, sagte der Kameltreiber. »Berichte von den Kriegern, die sich der Oase nähern.« »Sie werden mich auslachen.« »Es handelt sich um Männer der Wüste, und als solche sind sie an Zeichen gewöhnt.« »Dann werden sie es bereits wissen.« »Sie kümmern sich nicht darum. Sie glauben, daß Allah ihnen einen Mittler schicken wird, wenn er etwas mitzuteilen hat. Das ist schon öfter vorgekommen. Und heute bist du dieser Vermittler.« Der Jüngling dachte an Fatima und beschloß, die Oberhäupter sogleich aufzusuchen.
19
    »Ich bringe Zeichen aus der Wüste«, sagte er zu dem Wächter, der den Eingang des riesigen weißen Zeltes im Zentrum der Oase bewachte. »Ich will die Oberhäupter sprechen.« Der Wächter antwortete nicht. Er ging hinein und blieb lange fort. Dann erschien er mit einem jungen Araber, der in weiße und goldene Gewänder gekleidet war. Der Jüngling erzählte ihm, was er gesehen hatte. Daraufhin bat ihn der junge Mann zu warten und verschwand wieder. Inzwischen war die Nacht hereingebrochen. Zahlreiche Händler und Einheimische gingen in das Zelt hinein und verließen es wieder. Nach und nach erloschen die Lagerfeuer, und die Oase wurde so still wie die Wüste. Nur im großen Zelt brannte noch Licht. Während dieser ganzen Zeit dachte der Jüngling an Fatima, immer noch, ohne die Unterhaltung am Nachmittag richtig verstanden zu haben.
    Nach Stunden des Wartens forderte ihn der Wächter endlich auf hereinzukommen. Was er nun sah, überwältigte ihn. Nie hätte er vermutet, daß es mitten in der Wüste so ein prachtvolles Zelt gab. Der Boden war mit den feinsten Teppichen ausgelegt, die er je betreten hatte, und von der Decke hingen ziselierte Messingleuchter mit brennenden Kerzen darauf. Die Oberhäupter saßen im Halbkreis im hinteren Teil des Zeltes, Arme und Beine auf reichbestickte Seidenkissen gebettet. Dienstboten kamen und gingen mit Silbertabletts, vollbeladen mit Spezereien und Tee. Einige kümmerten sich darum, daß die Glut in den Wasserpfeifen nicht erlosch. Ein angenehmer Räucherduft erfüllte den Raum.
    Es waren acht Oberhäupter, aber der Jüngling bemerkte sogleich, wer der Wichtigste war: ein in Weiß und Gold gekleideter Araber, der in der Mitte des Halbkreises saß. An seiner Seite stand der junge Araber, mit welchem er vorher gesprochen hatte.
    »Wer ist der Fremde, der von Zeichen spricht?« fragte eines der Oberhäupter und betrachtete ihn.
    »Das bin ich«, antwortete der Jüngling und erzählte, was er gesehen hatte. »Und warum sollte die Wüste dies ausgerechnet einem Fremden offenbaren, wo wir schon seit Generationen hier leben?« bemerkte ein anderes Stammesoberhaupt.
    »Weil meine Augen sich noch nicht an die Wüste gewöhnt haben, so daß ich noch Dinge wahrnehme, die angepaßte Augen nicht mehr sehen können«, antwortete er.
    >Und weil ich die Weltenseele kenne, fügte er in Gedanken hinzu. Aber er sagte nichts, weil Araber an diese Dinge nicht klauben. »Die Oase ist ein neutraler O rt«, sagte ein Dritter. »Niemand würde sie angreifen.« »Ich berichte lediglich, was ich sah. Wenn ihr nicht daran glauben wollt, dann braucht ihr nichts zu unternehmen.
    Einen Augenblick lang kehrte tiefe Stille ein, dann brach eine erregte Diskussion unter den Oberhäuptern aus. Sie sprachen in einem arabischen Dialekt, den der Jüngling nicht verstand, doch als er aufbrechen wollte, wurde er von einem Wächter zurückgehalten. Nun begann er sich zu fürchten; irgend etwas stimmte hier nicht. Er bedauerte schon, sich

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