Der Alchimist
hatten.
Am folgenden Tag verabschiedete sich der Anführer von dem Jüngling und dem Alchimisten und veranlaßte, daß sie eine Eskorte begleitete, wohin sie auch wollten.
33
Sie reisten den ganzen Tag. Gegen Abend kamen sie an ein koptisches Kloster. Der Alchimist entließ die Eskorte und stieg von seinem Pferd. »Von hier aus kannst du alleine weiterziehen«, sagte er zum Jüngling. »Es fehlen nur noch drei Stunden bis zu den Pyramiden.« »Danke. Du hast mich die Weltensprache gelehrt«, erwiderte der Jüngling. »Ich habe dir lediglich in Erinnerung gerufen, was du bereits wußtest.« Der Alchimist klopfte an die Türe des Klosters. Ein ganz in Schwarz gekleideter Mönch erschien. Sie unterhielten sich kurz auf koptisch, und dann forderte der Alchimist den Jüngling auf, mit ihm einzutreten. »Ich bat ihn, mir für kurze Zeit die Küche zu überlassen«, sagte er. Nun gingen sie in diese Küche. Der Alchimist machte Feuer, und der Mönch brachte etwas Blei, welches der Alchimist in einem Eisengefäß schmolz. Als das Blei flüssig war, holte der Alchimist jenes merkwürdige Ei aus gelblichem Glas aus seiner Tasche. Er kratzte eine Spur herunter, so dünn wie ein Haar, umhüllte sie mit Wachs und warf sie in das Gefäß. Die Mischung verfärbte sich blutrot. Dann nahm er den Topf vom Feuer und ließ ihn abkühlen. Währenddessen unterhielt er sich mit dem Mönch über der Stammeskrieg.
»Der wird noch lange andauern«, sagte er zum Mönch Der Mönch war keineswegs erfreut. Schon seit langen hielten sich die Karawanen in Gizeh auf und warteten auf das Kriegsende. »Aber Gottes Wille geschehe«, meinte er.
»So ist es«, bestätigte der Alchimist.
Als der Topf abgekühlt war, schauten der Mönch und dei Jüngling verblüfft drein: Das Blei war in der runden Form des Gefäßes getrocknet, aber es war kein Blei mehr, sondern Gold.
»Werde ich das auch eines Tages fertigbringen?« fragt« der Jüngling. »Das war meine innere Bestimmung, nicht deine«, entgegnete der Alchimist. »Ich wollte dir nur zeigen, daß es möglich ist.« Dann teilte der Alchimist die Goldscheibe in vier Stücke. »Das ist für deine Gastfreundschaft«, sagte er und gab dem Mönch einen Teil.
»Ich erhalte einen Lohn, weit über meine Verdienste« bemerkte der Mönch. »Sag so etwas nicht noch einmal. Sonst kann das Leben es hören und dir das nächste Mal weniger zugestehen.« Dann näherte er sich dem Jüngling.
ir, »Dieser Teil gehört d um zu zahlen, was du dem obersten Kriegsherrn überlassen hast.« Der Jüngling wollte sagen, daß es viel mehr sei, als er dem Kriegsherrn hinterlassen hatte. Aber er hielt sich zurück, weil er gehört hatte, was der Alchimist dem Mönch erklärt hatte.
»Und diesen Teil behalte ich selber«, sagte der Alchimist und steckte ihn ein. »Denn ich muß durch die Wüste zurück und durch das Kampfgebiet.« Dann nahm er das vierte Stück und reichte auch dieses dem Mönch. »Und das ist noch für den Jüngling, falls er es benötigt.« »Aber ich suche doch meinen Schatz und bin schon ganz nahe dran!« entgegnete der Jüngling.
»Und ich bin sicher, daß du ihn finden wirst«, meinte der Alchimist. »Warum das also?« »Weil du schon zweimal alles verloren hast, einmal mit dem Dieb und einmal mit dem Kriegsherrn. Ich bin ein alter, abergläubischer Araber, der an die Sprichwörter seines Landes glaubt. Ein Sprichwort heißt: >Alles, was dir einmal passiert, passiert möglicherweise nie wieder. Aber alles, was zweimal passiert, wird sicher auch ein drittes Mal passieren.« Sie bestiegen ihre Pferde.
34
»Bevor wir uns trennen, möchte ich dir noch eine Geschichte über Träume erzählen«, sagte der Alchimist. Der Jüngling kam näher herangeritten. »Im alten Rom, zur Zeit des Kaisers Tiberius, lebte ein guter Mann, der zwei Söhne hatte. Einer war Soldat, und als er eingezogen wurde, schickte man ihn in die entferntesten Regionen des Reiches. Der andere Sohn war ein Dichter und begeisterte ganz Rom mit seinen schönen Versen. Eines Nachts hatte der Alte einen Traum. Ein Engel erschien ihm und sagte, daß die Worte eines seiner Söhne auf der ganzen Welt bekannt, wiederholt und von Generation zu Generation weitergegeben werden würden. Der Alte erwachte dankbar und weinte vor Freude, weil das Leben so großzügig war und ihm etwas verraten hatte, worauf jeder Vater stolz wäre. Kurz darauf starb der Alte bei einem Unfall, als er ein Kind vor den Rädern eines Wagens retten wollte. Weil er ein
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