Der Algebraist
in
Bewegung.
Ich werde noch einen unserer Satelliten anpingen und melden,
dass wir am Leben sind, teilte Fassin ihr mit.
- Halten Sie das für klug?
War es klug?, überlegte auch Fassin. Es hatte ein
Angriff auf die Infrastruktur der Seher um Nasqueron stattgefunden,
aber das musste nicht heißen, dass die ganze planetennahe
Umgebung in feindlicher Hand war. Andererseits…
- Wie schnell kann sich Ihr Schutzanzug bewegen?, fragte er
den Colonel.
- Bei dieser Dichte etwa vierhundert Meter pro Sekunde. Die
Dauergeschwindigkeit ist etwa halb so hoch.
Fassins Pfeilschiff konnte da gerade noch mithalten.
Enttäuschend. Er hoffte immer noch, den Colonel irgendwann
abzuschütteln. Aber es sah nicht so aus, als könnte er ihr
einfach davonfliegen.
- Ping abgesetzt, teilte er Hatherence mit. – Und
nun los!
Sie machten sich rasch auf den Weg. Doch sie hatten noch keine
hundert Meter zurückgelegt, als hinter ihnen ein violetter Blitz
die Wolkendecke zerriss und ein grelles, kurzlebiges
Strahlenbündel da, wo sie Sekunden vorher noch geschwebt waren,
durch den Gasraum fuhr.
Weitere Strahlen breiteten sich um den zuerst angepeilten Punkt
herum aus und pulsierten, langsam länger werdend, ziellos
suchend durch die Atmosphäre. Einer tauchte mit lautem Knistern
und Knacken etwa fünfzig Meter vor ihnen auf. Alle anderen waren
viel weiter entfernt, und nach etwa einer Minute war das Feuerwerk zu
Ende.
- Jemand ist offenbar nicht sonderlich gut auf Sie zu sprechen,
Seher Taak, sendete der Colonel, während sie weiter durch
das Gas flogen.
- Sieht ganz danach aus.
Der Blitz und die elektromagnetische Welle folgten zwei Minuten
danach. Das leise Donnergrollen holte sie mit noch
größerer Verzögerung ein.
- War das eine Atombombe?, sendete Fassin. Seine
Instrumente ließen keine andere Deutung zu, dennoch konnte er
es kaum fassen.
- Ich kenne kein Phänomen, das eine Atombombe so
überzeugend nachahmen könnte.
- Hölle und Teufel!
- Ich möchte mich verbessern. Jemand ist ganz und gar
nicht gut auf Sie zu sprechen, Seher Taak.
- Die Dweller werden davon nicht sehr erbaut sein, erklärte Fassin. – Nur sie allein haben das Recht,
in der Atmosphäre Atombomben zu zünden, erklärte
er. – Und jetzt ist nicht einmal die Zeit für
Feuerwerke.
Sie fanden den WolkenTunnel etwa an der Stelle, wo Fassin ihn
vermutet hatte, nur hundert Kilometer seitlich verschoben und zwei
Kilometer tiefer: für Nasqueron-Verhältnisse hatte er genau
ins Schwarze getroffen. Der WolkenTunnel bestand aus einem Dutzend
Carbon/Carbon-Röhren, die wie ein riesiger, nur locker
verbundener Kabelstrang inmitten einer unendlichen, sanft wogenden,
in Gelb-, Orange- und Ockertönen spielenden Wolkenlandschaft
schwebten. Die beiden Hauptröhren hatten einen Durchmesser von
etwa sechzig Metern, der kleinste – der hauptsächlich
Wellenleiter für Kommunikations- und Telemetrieverbindungen
enthielt – maß weniger als einen halben Meter. Das ganze
Bündel hatte so dünn wie ein Faden gewirkt, als sie ihn zum
ersten Mal aus etwa zehn Kilometern Entfernung erblickten, doch aus
der Nähe sah er eher aus wie eine Trosse, mit der man einen Mond
vertäuen konnte. Aus den beiden Hauptröhren war ein tiefes,
grollendes Rauschen zu hören.
- Was jetzt ?, sendete der Colonel.
- Mal sehen, ob ich das mir übertragene Kudos-Guthaben
noch einlösen kann.
Fassin stieß mit einem Manipulator seines Pfeilschiffs einen
der Wellenleiter an und bewegte die Drähte in der Röhre,
ohne die Schutzhülle zu zerreißen. Ein haarfeiner Draht
streckte sich in die Lichtmatrix, die das dünne Rohr
ausfüllte. Aus dem anderen Ende des Drahtes strömten
Informationen in das Biobewusstsein des Gasschiffs, in die
Interfacesysteme und schließlich in Fassins Kopf. Ein
verschlüsseltes Chaos aus unverständlichem Geplapper, wild
flimmernden Bildern und anderen wirren sensorischen Empfindungen
brach über ihn herein. Die Unterbrechung in den
Lichtströmen war bereits registriert worden. Ein genau auf den
feinen Draht gezielter Informationsimpuls sendete eine
Identitätsanfrage und erkundigte sich, ob Hilfe benötigt
würde, andernfalls möge man bitte aufhören, mit einem
öffentlichen Informations-Highway Unfug zu treiben.
- Ein Mensch, Fassin Taak, bei den Nasqueron-Dwellern als
›Langsamen‹-Seher akkreditiert, sendete er. – Ich brauchte Hilfe, um vom jetzigen Standort nach Hauskip City zu
gelangen.
Man wies ihn an zu warten.
»Fassin Taak, bandenloser
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