Der Algebraist
Auswärtiger, Alien, Seher,
Mensch! Und… was ist das?«
»Das ist Colonel Hatherence von der Ocula der
Justitiarität, einem militärisch-religiösen Orden der
Merkatoria. Sie ist Oerileithe.«
»Guten Tag, Dweller Y’sul«, sagte Hatherence. Sie
hatten auf normale Akustiksprache umgestellt.
»Ein Klein-dweller! Wie faszinierend! Also kein
kind?«
Y’sul, ein ziemlich großer Erwachsener mittleren Alters
von gut neun Metern Durchmesser rollte durch das Gas, fuhr einen
langen Spindelarm aus und klopfte mit einer Faustknolle (bing-bing-bing!) auf den Schutzanzug des Colonel.
»Halloooo da drin!«, sagte Y’sul.
Hatherences Diskus neigte sich unter dem Hagel unsanfter
Schläge zur Seite. »Freut mich, Sie kennen zu lernen«,
antwortete sie knapp.
»Kein kind«, bestätigte Fassin.
Sie befanden sich in einem Verdickten-Club in Hauskip City, in
einem riesigen schüsselförmigen Raum mit einer Decke aus
mikrometerdünnen Diamantplättchen.
Hauskip lag in der Äquatorzone von Nasqueron und war einer
von hunderttausend großen Ballungsräumen in diesem
Atmosphäreband. Aus dem richtigen Winkel und bei günstigem
Licht betrachtet, hatte es viel Ähnlichkeit mit dem Innenleben
einer antiken mechanischen Uhr, nur um mehrere tausend Mal
vervielfältigt und vergrößert. Aus hinreichend
großer Entfernung oder nur in einer Schemazeichnung
ähnelte die Stadt Millionen von Zahnrädern, die sich
ineinander verhakt hatten und mit größeren Rädern,
die ihrerseits in noch größere Räder griffen, durch
Naben, Dorne und Spindeln verbunden waren. Das ganze mächtige,
langsam kreisende und in sich rotierende Gebilde hatte leicht
zweihundert Kilometer im Durchmesser und schwebte hundert Kilometer
unter der obersten Wolkenschicht in einer dicken Gassuppe.
Die Stadt war ein Knotenpunkt für mehrere
WolkenTunnel-Linien. Nachdem sich ein leerer Wagen bis zu der
Zugangsluke durchgekämpft hatte, die der Stelle neben dem
Tunnel, wo Fassin und Hatherence ihre Zelte aufgeschlagen hatten, am
nächsten war, hatten die beiden, ohne den Wagen zu verlassen,
zweimal die Linie wechseln müssen, um durch das Netz von
teilweise geräumten Hochgeschwindigkeitstransitröhren an
ihr Ziel zu gelangen. Die ganze Reise hatte einen von Nasquerons
kurzen Tag-Nacht-Zyklen gedauert. Beide hatten die meiste Zeit
verschlafen, doch kurz bevor Fassin eingenickt war, hatte der Colonel
gesagt: »Wir machen weiter. Meinen Sie nicht, Major? Wir setzen
unsere Mission fort. So lange, bis man uns befiehlt, sie
einzustellen.«
»Ganz Ihrer Meinung«, sagte er. »Wir machen
weiter.«
Der Tunnelwagon hatte an einer TunnelKnospen-Wand angedockt und
sich wie durch einen Schließmuskel in den Hauptbahnhof von
Hauskip geschoben. Dort war er durch die gallertartige
Atmosphäre geradewegs zum Club für Verdickte der Achten
Progression gerast, wo Y’sul, Fassins langjähriger
Führer/Mentor/Beschützer an einer Party anlässlich der
Vollendungs- und Ausstoßungszeremonie eines Clubmitglieds
teilnahm.
Dweller sahen am Anfang aus wie magersüchtige Mantarochen
– das war die kurze kindheitsphase, in der sie gelegentlich
gejagt wurden – dann wuchsen sie, wurden fett, spalteten sich in
der Mitte fast bis nach unten (eine Art Pubertät) und stellten
von horizontaler auf vertikale Orientierung um. Als Erwachsene sahen
sie schließlich aus wie zwei große Wagenräder mit
Schwimmhäuten und Flossensaum, verbunden durch eine kurze dicke
Achse mit auffallend knolligen Außennaben, auf denen eine
riesige Spinnenkrabbe saß.
Eine Phase des Übergangs vom frühen zum mittleren
Erwachsenenstadium war die so genannte Verdickung. In diesem Stadium
entwickelten sich die schmalen, zarten Scheiben der Jugend zu den
kräftigen, robusten Rädern des späteren Lebens. Wenn
es so weit war, trat der betreffende Dweller üblicherweise einem
Club von Altersgenossen bei. An sich gab es keinen besonderen Grund,
warum sich die Dweller gerade an diesem Punkt ihres Lebens
zusammenrotten sollten, aber sie liebten es ganz allgemein, sich in
Clubs, Bruderschaften, Orden, Ligen, Gemeinschaften,
Genossenschaften, Kameradschaften, Verbindungen, Gruppen, Gilden,
Allianzen, Splittergruppen, Offenbarungsvereinigungen und
Freizeitvereinen zusammenzuschließen, wobei natürlich
immer die Möglichkeit offen blieb, auch an spontanen, nicht
zeremoniellen, zufällig und einmalig stattfindenden
Veranstaltungen teilzunehmen. Die Liste an gesellschaftlichen
Aktivitäten war lang.
Y’sul hatte die beiden in
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