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Der Algebraist

Der Algebraist

Titel: Der Algebraist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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daran. »Nun komm schon«, wollte er in
Nasquerons Gashimmel rufen (brachte aber nur ein
unverständliches Gemurmel zustande), »beweise mir, dass
alles nur Simulation ist, zeige mir, dass die Cessoria Recht hat. Das
war die letzte Runde. Das Spiel ist aus. Hol mich hier
raus.«
    Ein Murmeln, ein Gurgeln in der Kehle. Er steckte, halb stehend,
halb liegend, in der sargförmigen Aussparung, und das
Gasschiffchen schwebte in der Atmosphäre des Gasriesen in einer
Zone, wo sich ein Mensch den Elementen aussetzen konnte, ohne sofort
zu sterben, vorausgesetzt, er hatte etwas, was ihm beim Atmen
half.
    Auch Rache war kein guter Ausweg, dachte er unter Tränen. Sie
lag in der Natur des Menschen wie der Tiere, sie lag in der Natur
fast aller Wesen, die Zorn empfinden oder sich verletzt fühlen
konnten, aber als Ausweg war sie fast ebenso kläglich wie der
Selbstmord. Egoistisch, egozentrisch, ichbezogen. Gewiss, wenn man
ihm denjenigen präsentierte, der befohlen hatte, eine Bombe auf
einen Gebäudekomplex voller unbewaffneter und ahnungsloser
Zivilisten zu werfen, wäre die Versuchung groß, ihn
töten zu wollen, aber damit brächte er die Verstorbenen
nicht zurück.
    Und diese Gelegenheit würde er natürlich nicht bekommen
– noch einmal, so sauber arbeitete die Realität nur selten
–, aber nur einmal angenommen, das legendäre Szenario
fände tatsächlich statt: Der Schurke wäre an einen
Stuhl gefesselt und er hätte die Waffe in der Hand und
könnte denjenigen, der fast alle seine Lieben auf dem Gewissen
hatte, verletzen oder töten. Vielleicht würde er es tun.
Man könnte ihm vorhalten, er stellte sich damit auf eine Stufe
mit diesem Schurken, aber irgendwo stand er auf dieser Stufe doch
schon längst. Für einen solchen Mord gäbe es nur eine
einzige moralische Rechtfertigung: Man würde die Welt, die
Galaxis, das Universum von einem ruchlosen Verbrecher befreien.
Allerdings herrschte an ruchlosen Verbrechern wahrhaftig kein Mangel,
die Nische wäre sofort wieder besetzt.
    Im Übrigen wäre der Bösewicht ohnehin keine Person
sondern eine Militärmaschinerie, eine Hierarchie. Ein
Verantwortlicher ließe sich kaum festmachen. Jemand – eine
Gruppe – hätte die entsprechende Strategie ausgearbeitet,
jemand anderer hätte einen wahrscheinlich unklaren Befehl
gegeben, eine Ebene darunter wären die allgemeinen und die
spezifischen Zielkriterien aufgestellt worden, und noch weiter unten
hätte irgendein hirnloses Frontschwein oder ein
gleichgültiger Techniker einen Knopf gedrückt, auf einen
Bildschirm getippt oder mit Gedankenkraft ein Symbol in einem
Holotank angeklickt. Dieser Letzte in der Kette wäre zweifellos
geprägt durch den üblichen militärischen Induktions-
und Indoktrinationsprozess, der das Individuum mit der Raffinesse
eines Holzhammers niedermachte und aus den Scherben einen
nützlichen, gehorsamen, halbautomatischen Befehlsempfänger
aufbaute, einen Soldaten, dessen Gefühle seinen engsten
Kameraden und dessen Treue irgendeinem alten Ehrenkodex
gehörten. Und selbst dann wäre man noch nicht ganz sicher,
dass all diese Leute wirklich schuldig waren, dass man nicht von
jemandem hinters Licht geführt wurde, der den Stuhl und die
Fesseln besorgt und einem selbst die Waffe in die Hand gedrückt
hatte.
    Vielleicht war die Zielprogrammierung in letzter Instanz von einer
Automatik eingegeben worden. Sollte er dann auch noch den
Programmierer aufspüren und ihn zusammen mit dem Verbrecher an
den Stuhl fesseln, der die Genehmigung zum Angriff gegeben oder sich
den ganzen beschissenen Plan zur Eroberung des Ulubis-Systems
überhaupt erst ausgedacht hatte?
    Wenn es wirklich Beyonder gewesen sein sollten, könnte eine
KI den Angriff ausgeführt haben, aus welchem Grund auch immer.
In diesem Fall müsste er die verdammte Maschine eben finden und
abschalten. Andererseits war gerade der mörderische Hass der
Merkatoria auf die KIs einer der Gründe, warum er diese
Institution so sehr verabscheute.
    Und vielleicht war auch alles ein Irrtum gewesen, ein Irrtum, den
er verursacht hatte. Vielleicht hatten die Angreifer geglaubt, ein
leeres Haus zu treffen, und nur seine Wichtigtuerei, sein
schwachsinniger Rat hatten es mit Menschen gefüllt. Wie
sähe die Schuldzuweisung in diesem Fall wohl aus?
    Seine Augen brannten jetzt so heftig, als hätte ihm jemand
Sand hineingestreut. Die Tränen ließen alles verschwimmen,
er konnte kaum noch etwas erkennen. (Er konnte allerdings immer noch
mit dem Kragen sehen, eine

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