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Der Algebraist

Der Algebraist

Titel: Der Algebraist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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und flog eine weite Kurve. Über
den Schirm zuckten hektisch kreisende Sterne vor einem schwarzen
Hintergrund, dann erlosch das Bild.
    Die rasenden ineinander geschachtelten Spiralbewegungen
lösten sich auf und wurden zu einer einzigen Drehung um die
Längsachse, als würde die Velpin durch das Rohr
einer riesigen Kanone gejagt.
    Ein hoher singender Ton versetzte das ganze Schiff in
Schwingungen, dann hatte es offenbar seine Reisegeschwindigkeit
erreicht. Die Drehung wurde allmählich langsamer. Fassin sah,
wie Y’sul seine Sinnesstreifen zögernd entrollte. Der
Bildschirm zeigte minutenlang nur langsam kreisende Sterne. Dann
wurde er abermals schwarz. Die Rotation beschleunigte sich noch
einmal, bis Fassin den Druck durch das Schockgel hindurch im ganzen
Körper spürte. Ich liege in meinem eigenen Sarg, dachte er. Natürlich. Jetzt entwickelte er auch noch einen
Tunnelblick. Er sah alles wie durch einen Gewehrlauf, die Aussicht
schrumpfte auf einen einzigen kleinen Punkt am anderen Ende. Weit,
weit entfernt, nur graue Finsternis jenseits der Finsternis zu beiden
Seiten, so schaute er durch dieses endlose Rohr dem letzten klar
definierten Ort entgegen, ihrem Ziel, das niemals näher kam.
     
    Fassin erwachte. Das Schiff rotierte noch immer, aber die
Geschwindigkeit ging wieder zurück. Seine Nase juckte, und er
musste pinkeln, obwohl das gar nicht sein konnte, wenn Schockgel und
Kiemenwasser ihre Pflicht taten. Er schlief wieder ein.
     
    Taince Yarabokin erwachte. Einer der ersten Gedanken auf ihrem
langsamen Weg ins volle Bewusstsein war, dass Saluus Kehar die
für ihn aufgezeichnete Botschaft wahrscheinlich doch nicht
erhalten hatte. Damit blieb ihr Zeit für weitere
Änderungen, Neuaufzeichnungen und Verbesserungen, sie konnte
sich noch länger auf dem Band sehen und hören und jedes Mal
wieder in Tränen ausbrechen. Sie hatte noch Zeit, hatte noch die
Chance, ihm persönlich gegenüberzutreten und ihn vielleicht
zu töten, wenn sich die Möglichkeit böte und sie dann
auch noch den Wunsch dazu spürte. (Sie wusste es nicht –
manchmal wollte sie ihn tot sehen, manchmal wollte sie ihn am Leben
lassen, um ihm zu sagen, sie hätte die Geschichte an die Medien
gegeben, und sich an seiner Schande zu weiden, und manchmal sollte er
nur erfahren, dass sie wusste, was sich in jener längst
vergangenen Nacht in dem Schiffswrack in der Wüste abgespielt
hatte.)
    Sie nahm sich die Zeit und tastete benommen im virtuellen Raum
nach Informationen. Noch ein halbes Jahr bis Ulubis. Von jetzt an
würde sie bis zum Angriff wach bleiben. Sie war als eine der
Ersten für die letzte Annäherungsphase geweckt worden, weil
sie die örtlichen Gegebenheiten noch mit am besten kannte.
Insgeheim hatte sie ihre Zweifel, dass sie allzu viel praktische
Hilfe zu geben hätte, schließlich hatte sie Ulubis vor
mehr als zweihundert Jahren zum letzten Mal gesehen, und es
könnte sich, vorsichtig ausgedrückt, nach der Invasion doch
deutlich verändert haben, aber die Flotte hatte niemand
Besseren. Taince betrachtete sich in dieser Beziehung eher wie einen
Talisman, ein kleines Symbol des Systems, um das sie kämpfen
wollten. Wenn ihr unter anderem diese Überlegung den Platz in
der Flotte verschafft hatte, so störte sie das nicht. Sie
wusste, dass sie ein guter, tüchtiger und tapferer Soldat war
und sich ihren Rang allein durch ihre Verdienste erworben hatte. Dass
sie nun auf dem Weg war, um ihr Heimatsystem zu retten, war nur eine
Zusatzprämie.
    Die Flotte hatte sich seit dem Kampf mit den Beyonder-Rebellen auf
halbem Wege weiter auseinander gezogen. Man setzte nun nicht mehr
darauf, das gesamte Gewicht ihrer Artillerie auf einmal zum Einsatz
zu bringen, sondern hatte ein Netz von vorgeschobenen
Beobachtungsschiffen eingerichtet, das die Hauptflotte ausreichend
lange vorher vor allen auftauchenden Schwierigkeiten warnen sollte.
Taince hatte die letzten Jahre überwiegend zeitverlangsamt und
schlafend in ihrer Kapsel verbracht, sich aber – seit die
Vorhutschiffe eine gewisse Sicherheit boten – auch immer wieder
Erholungs- und Entspannungsphasen außerhalb des Schockgels
gegönnt. In der Rotationsschwerkraft hatte sie sich fast wie ein
normaler Mensch gefühlt. Wenn sie durch das Schiff ging, war ihr
gerade diese Normalität fremd vorgekommen, sie war wie ein Alien
in einem menschlichen Körper gewesen, unbeholfen, voller Staunen
über Kleinigkeiten wie ihre Fingernägel oder die
Härchen auf ihrem Arm. Begegnungen mit anderen Menschen,

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