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Der Algorithmus der Liebe: Roman (German Edition)

Der Algorithmus der Liebe: Roman (German Edition)

Titel: Der Algorithmus der Liebe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurie Frankel
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ist, einerseits anwesend und doch wieder nicht. Ich weiß, dass ich anders bin als die anderen Projektionen, weil RePrise in meinen elektronischen Erinnerungen vorkommt und ich deshalb zwar das Gefühl habe, am Leben zu sein, aber weiß, dass ich tot bin. Wir beide haben eigentlich fast nur über RePrise gesprochen, wenn wir elektronisch kommuniziert haben. Es war schön, dass wir miteinander leben und arbeiten durften, dass wir das Glück hatten, ständig zusammen zu sein, aber jetzt kostet uns diese Tatsache Gesprächsthemen. Denk doch nur, wie viel wir uns zu erzählen hätten, wenn wir zuerst ein paar Jahre lang eine Fernbeziehung geführt hätten! Es kommt mir vor, als würde ich dich vermissen.
    In Liebe,
    Meredith
    F rieden für Penny
    Mit Penny ging es schnell bergab, und es tat weh, mit ansehen zu müssen, wie sie immer schwächer wurde. F ür die Verschlechterung ihres Zustands ließen sich verschiedene Erklärungen finden – dieses Medikament hatte nicht angeschlagen, jenes hatte zwar eines der Symptome beseitigt, aber dafür ein anderes ausgelöst, und das einzige Präparat, das geholfen hätte, konnte Penny nicht einnehmen, weil sie dies und das hatte –, aber im Grunde lief es darauf hinaus, dass sie schon sehr alt war. An manchen Tagen war sie klar im Kopf, konnte die Augen öffnen und wusste, wo sie war und wer sie besuchte, und an anderen Tagen bekam sie überhaupt nichts mit. Ihre Kinder pendelten wie Synchronschwimmer in genau abgestimmten, ineinandergreifenden Bewegungsabläufen zwischen ihren Heimatorten, der Klinik und den Unterkünften, die Sam für sie organisiert hatte, hin und her. Irgendjemand fuhr immer gerade ab oder reiste an, redete mit den Ärzten, kümmerte sich um die eigenen K inder, brachte Lebensmittel mit oder putzte Sams oder Pennys Wohnung oder den Salon. Sam erkannte einerseits die Vorteile einer kinderreichen Familie im Gegensatz zu seiner eigenen isolierten Kindheit, staunte aber andererseits über das ständige Gewusel, in dessen Zentrum Penny wie eine Bienenkönigin Hof hielt und entgegennahm, was man ihr darbot. Keine Arbeitsbiene blieb je für längere Zeit im Bau. Sie kamen, lieferten etwas ab, flogen wieder davon und kehrten schließlich erneut zurück. Sam empfand das ständige Kommen und Gehen als hektisch, aber Penny schien es nichts auszumachen. Sie hatte schließlich fünf Kinder großgezogen und war an Chaos gewöhnt.
    Sam wartete die Ruhepausen ab und besuchte sie dann – um mit ihr allein zu sein, aber auch um selbst seine Ruhe zu haben. Er verbrachte inzwischen viel Zeit im Krankenhaus, entweder bei Josh oder bei Penny oder auch allein, und mied seine Wohnung und den Salon. Er hatte sich nie einsam gefühlt, wenn er allein zu Hause gewesen war, nicht einmal als Kind. Es gab schließlich Bücher und es gab Computer, und seit der Gründung von RePrise gab es immer irgendwelche Aufgaben, die erledigt und Anrufe, die entgegengenommen und E-Mails, die gelesen, und Statusmeldungen, die gepostet werden mussten, und dazu ständig Lebende und Verstorbene, die seine Aufmerksamkeit verlangten. Wenn er hingegen in einem Krankenzimmer saß, Penny oder Josh beim Atmen zuhörte und dabei über die Grenze zwischen Schlaf und Koma, Leben und Tod, Diesseits und Jenseits sinnierte, gab es kaum etwas, was noch einsamer war.
    Eines Nachmittags wachte Penny zwischen zwei Besuchen ihrer Kinder plötzlich auf und war wieder ganz Penny.
    »Sam, du bist da.«
    »Natürlich bin ich da.«
    »Ich freue mich so, dich zu sehen.«
    »Wie fühlst du dich?«
    »Miserabel. Und du?«
    »Auch.«
    »Armer Sam. Mir wird es bald besser gehen. Ich werde sterben.« Penny schien ihn aufrichtig dafür zu bedauern, dass er die schlechtere Karte gezogen hatte. »Während du dich noch eine ganze Weile schlecht fühlen wirst.«
    »Ja, aber wenigstens geht es mir gesundheitlich gut. Tut mir leid, dass du so …«
    »Dass ich so alt bin?«, fragte sie.
    »Ja.«
    »Du hast keinen Grund, dich für irgendetwas zu entschuldigen, Sam. Du hast der Menschheit etwas Außergewöhnliches geschenkt. Gegen das Älterwerden und den Tod ist immer noch kein Kraut gewachsen, aber du bist so nahe dran, wie es nach dir so bald keiner mehr sein wird.«
    »Meinst du RePrise ?«
    »Natürlich .«
    Sam grunzte. »Ich überlege, damit aufzuhören.«
    »Warum um alles in der Welt solltest du das tun?«
    »Weil es nichts bringt. Nach einer Weile haben es die Leute satt, weil sich ihre Hoffnungen nicht erfüllen. Es macht alles nur

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