Der Algorithmus der Liebe: Roman (German Edition)
und anschließend macht man weiter mit seinem Leben. Für dich und Meredith war alles immer ein Misserfolg. Wenn die Kunden dageblieben sind und RePrise weiter nutzen wollten, um der Vergangenheit nachzuhängen, habt ihr euch schlecht gefühlt, weil ihr gedacht habt, ihr verhindert, dass sie trauern und darüber hinwegkommen. Und jetzt, wo die Kunden RePrise immer weniger brauchen und irgendwann gehen, glaubst du, das ganze Projekt sei gescheitert und müsse abgebrochen werden. Ist doch toll, wenn es den Menschen besser geht, weil sie hier Gleichgesinnte kennengelernt haben! Und wenn ihnen das so sehr hilft, dass sie RePrise nicht mehr brauchen, ist das noch viel toller. Das sind alles gute Nachrichten, Sam, siehst du das denn nicht? «
Aber Sam konnte nichts sehen, weil er sich weigerte, das Licht anzumachen und seinen Kopf unter der Decke hervorzuschieben. Sam konnte nichts sehen, weil er überall nur Meredith sah – Meredith, die in der Agenturkantine auf ihn wartete, Meredith, die während seiner London-Reise mitten in der Nacht anrief, Meredith, die Modellflugzeuge baute, Pläne schmiedete, mit ihm schlief, Meredith, die in einer Kiste zu Asche verbrannte, Meredith, die im Meer verstreut wurde. Sam konnte nichts sehen, weil er nicht mehr den Willen und auch nicht die Energie besaß, hinzuschauen. Dann klingelte irgendwann sein Handy. Es war Katie, Pennys Tochter. »Wir glauben, dass Mutter einen Herzinfarkt hatte. Wir haben den Krankenwagen gerufen, und sie wurde gerade in die St.-Giles-Klinik gebracht. Wir Kinder sind alle auf dem Weg zu ihr, aber es kann eine Weile dauern. Es geht ihr den Umständen entsprechend gut, aber könnten Sie vielleicht trotzdem zu ihr ins Krankenhaus fahren, bis wir eingetroffen sind?«
» Selbstverständlich, gern «, antwortete Sam.
In der Klinik wollte man Sam und Dash keine Auskünfte geben, weil sie nicht zur Familie gehörten, aber sie durften sich zu ihr setzen. Penny schlief, machte aber einen friedlichen Eindruck, soweit Sam erkennen konnte. Als die Besuchszeit vorbei war, wurden sie aus ihrem Zimmer geworfen. Auf dem Weg zum Parkplatz kam ihnen Dr. Dixon entgegen. Er hatte in der Zeitung von Merediths Tod gelesen und sprach ihnen sein herzliches Beileid aus. Außerdem bedankte er sich dafür, dass sie dafür gesorgt hatten, dass David seine Aushänge abnahm. Das habe das Problem mit den Eltern, die ihre Kinder unnötig quälten, zwar nicht vollkommen beseitigt, wie er einräumte, aber es sei deutlich besser geworden. Er wollte ihnen unbedingt jemanden vorstellen, aber Sam wusste noch genau, was Dr. Dixon ihnen das letzte Mal gezeigt hatte, und wäre am liebsten schreiend aus dem Gebäude gerannt. Da ihm jedoch keine Möglichkeit einfiel, sich höflich aus der Affäre zu ziehen, folgte er Dr. Dixon und Dash stumm durch das Labyrinth aus neonbeleuchteten Fluren.
Dr. Dixon blieb in der offenen Tür zu Gretchen Sandlers Krankenzimmer stehen. Sie lag im Bett und war sehr blass, lächelte aber freundlich, wenn auch ein wenig abwesend den Laptop an, der auf einer Ablage über ihrem Bett stand. Ein Mann, den Dr. Dixon als Burt vorstellte, saß neben ihr auf einem Stuhl, streichelte ihr die Hand und führte einen Video-Chat mit einer Frau, die Gretchens Zwillingsschwester sein musste.
» Das ist wirklich eine lustige Geschichte! « Burt lachte sich schlapp. »Unglaublich, dass euer Vater tatsächlich dachte, er könnte das Schwein noch verkaufen! Und das nach allem, was du und deine Schwester mit ihm durchgestanden hattet. Hat er denn nie Schweinchen Wilbur und seine Freunde gelesen?«
Gretchens Zwillingsschwester lachte. »Wahrscheinlich nicht. Erinnerst du dich noch, wie wir Maryann zum ersten Mal daraus vorgelesen haben?«
»Sie hat schrecklich geweint, weil sie dachte, dass das Schweinchen geschlachtet wird.«
»Und dann mussten wir ihr das ganze Buch bis zum Ende vorlesen, damit sie sieht , dass Wilbur nichts passiert.«
»Wahrscheinlich war das nur e in Trick von ihr, um länger aufzubleiben«, mutmaßte Burt.
»Sie war ein richtiger kleiner Schlingel«, sagte Gretchens Zwillingsschwester grinsend. »Wohingegen Peter nicht mal traurig war, als die Spinne Charlotte gestorben ist. Kein Wunder, dass er später Kammerjäger geworden ist.«
»Er ist kein Kammerjäger«, tadelte Burt sc herzhaft. »Er ist beim FBI .«
»Eben. Und wofür ist er dort zuständig ?«
»Für das Aufspüren von Wanzen !«, kreischten sie gemeinsam und brachen in hysterisches Gelächter aus.
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