Der Algorithmus der Liebe: Roman (German Edition)
Lachen bringen und die Arbeit einen erfüllt und ein Bier mit Freunden etwas Schönes ist. Und weil es auch noch andere Menschen gibt, die einen lieben.«
»Und das reicht?«
»Es reicht nie, mein liebe r Sohn. Du bist das Vorbild der Geschöpfe, um es mit Shakespeare zu sagen. Du strebst nach Höherem, nach Wundern, nach Neuheiten und Staunen. Das ist wunderbar, und ich bin unendlich stolz auf dich. Aber du hast vergessen, was seit eh und je zum Menschsein dazugehört: Liebe, Tod, Verlust. Du rennst gegen eine Mauer an. Es gibt keine Möglichkeit, über diese Mauer zu klettern oder sie zu umgehen. Also bleibt man am Fuß der Mauer und richtet sich dort sein Leben ein. Das ist völlig in Ordnung, alle anderen machen es genauso. Alle anderen sind entweder schon dort oder auf dem Weg dorthin. Es gibt kein Jenseits, aber diesseits der Mauer ist genug Platz, um sich ein Leben aufzubauen, und vor allem genügend Gesellschaft. Willkommen vor der Mauer, Sam.«
»Danke, Dad.«
»Nicht so prickelnd hier , was? «
Sam bummelte ein bisschen durch die Stadt und versuchte, dankbar für das Gute am Fuße der Mauer zu sein. Es war kalt und nass und dunkel draußen. Alle, die ihm entgegenkamen, zogen die Schultern hoch und machten sich rund, als versuchten sie, sich auf der Suche nach Wärme in sich selbst zu verkriechen. Er war nie wieder auf dem Markt gewesen, nicht einmal, als mit einer kleinen Feier das reparierte, viel zu spät und oberflächlich verstärkte Dach eingeweiht wurde, inklusive Gedenktafel für Meredith. Aber vielleicht wurde es langsam Zeit. Also schlenderte er am Rand des Marktes entlang, befühlte die Pflastersteine mit den Zehen, saß im Fenster des französischen Cafés mit einem Café au Lait und einer Brioche und dachte an Europa und Pfützen und Regenschirme und pflegte seine Trübsal. Er kaufte Trockenblumen, Äpfel und endlich doch noch Olivenöl, Balsamico und die Pasta, die Livvie so gerne gemocht hatte. Er verirrte sich in den Katakomben unter der Markthalle, durch die er schon unzählige Male zuvor gestreift war. In einer versteckten Ecke entdeckte er einen vollgestopften Laden, der entweder neu oder ihm noch nie aufgefallen war, in dem Kuriositäten aller Art und Zauberkästen und stinkende Kerzen und Modeschmuck und – auf einem staubigen Tisch in der Ecke – ein Dutzend Modellflugzeug-Bausätze angeboten wurden. Sam kaufte sie alle.
Als er wieder zu Hause war, holte er Klebstoff, Zwingen, Zangen und Schablonenmesser hervor. Er deckte den Küchentisch mit einem Stück Pappe ab, das er wiederum mit Wachspapier bedeckte. Dann suchte er sich das Flugzeug aus, das am einfachsten aussah, und breitete alle Teile vor sich aus. Zwei Stunden später klebten die meisten davon an seinem Ellenbogen, und was er vor sich hatte, sah aus wie ein Haufen Größer-als- und Kleiner-als-Zeichen in einer Pfütze Flüssigzement. Andererseits waren wieder zwei Stunden am Fuß der Mauer vergangen, zwei Stunden, in denen Sam weder an den Tod noch an RePrise noch an Penny noch an Josh gedacht hatte. Zwei Stunden, in denen Sam ausschließlich an Meredith gedacht hatte, weil er eindeutig Hilfe brauchte. Er war sich zwar nicht sicher, ob Meredith wirklich dazu in der Lage war, aber er wusste nicht, wen er sonst anrufen sollte.
»Rat e mal, was ich gerade mache«, eröffnete Sam das Gespräch.
»Für mich kochen?«
»Nein, du bist tot. Du hast noch einen zweiten Versuch.«
»Für dich selbst kochen?«
»Keinen Hunger. Aber ich bin endlich losgegangen und habe Livvie ihre Pasta gekauft. Und in einem Laden auf dem Markt habe ich dann auch ein paar Modellflugzeug-Bausätze gefunden.«
»Oh, ich liebe Modellflugzeuge!« Meredith klatschte begeistert in die Hände.
»I ch weiß «, sa gte Sam, der sich riesig über ihre Reaktion freute. »Das Flugzeug, an dem ich gerade arbeite, ist eigentlich kinderleicht. Es heißt Delta Dart.«
»Zeig her!«
Er hielt den Haufen Verhältniszeichen, der an den Zangen festklebte, in die Kamera.
»Hm«, machte Meredith. »Irgendwas stimmt da nicht. Weißt du noch ungefähr, wo es schiefgelaufen ist?«
»Keine Ahnung.«
»Hast du die Anleitung gelesen?«
»Ging nicht.«
»Warum nicht?«
»Weil sie an den Hunden klebt.«
»An beiden?«
Sam zuckte mit den Schultern. »Sie lagen eben nebeneinander und haben geschlafen.«
»Du bist Softwareentwickler, Sam, noch dazu ein ziemlich genialer. Wie kann dich ein Modellflugzeug überfordern, das für Siebenjährige gedacht
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