Der Algorithmus der Liebe: Roman (German Edition)
das denn früher?«, wollte Sam wissen.
»Ich weiß es nicht«, antwortete Meredith. »Vielleicht hat sie mir früher auch nur geholfen, wenn wir uns persönlich gesehen haben. Vielleicht führt das alles zu nichts.«
»Es war doch sowieso nicht für immer gedacht«, sagte Sam. »Es sollte nur eine Brücke bilden zwischen niederschmetternder Trauer und der Fähigkeit, loszulassen.«
»Seit wann das?«, fragte sie.
Sam zuckte mit den Schultern. Er war sich ziemlich sicher, dass das von vornherein die zugrunde liegende Absicht gewesen war: den Leuten dabei zu helfen, sich zu verabschieden. Und nicht, ihnen zu ermöglichen, die Toten für immer bei sich zu behalten. Dann hatte er plötzlich eine Idee, die eher untypisch für ihn war. »Weißt du, was wir brauchen? Eine Feier! «
Sie schnaubte. »Und was willst du feiern?«
»Das s echsmonatige Bestehen von RePrise. Ein Rückblick auf das, was wir erreicht haben, was wir möglich gemacht haben.«
»Ich weiß nicht, ob ich Lust zum Feiern habe.«
»Warum nicht?«
»Diese ganzen Verstorbenen … das macht mich so traurig.«
»Dann lass uns mit den Lebenden feiern.«
B allnacht
Meredith verschickte also Einladungen.
Heißgeliebte RePrise-Kunden,
zunächst möchten wir uns herzlich bei euch für eure Treue bedanken – gegenüber RePrise und gegenüber euren verstorbenen Angehörigen. Ihr wart die Ersten – wie mutig von euch! Wir wissen, dass ihr ein großes emotionales und finanzielles Risiko eingegangen seid, und obwohl wir natürlich nach wie vor bemüht sind, letzte Systemfehler zu beseitigen, schulden wir euch ewige Dankbarkeit: Danke für eure Geduld, euren Enthusiasmus und eure Unvoreingenommenheit.
Aus diesem Grund möchten wir euch hiermit einladen und euch bitten, mit uns zusammen einen glücklichen Anlass zu begehen: unser sechsmonatiges Jubiläum, welches eine Party mit allen, die dies überhaupt erst möglich gemacht haben, wahrhaft rechtfertigt. Wir hoffen, dass ihr kommt, um euch gemeinsam mit uns an gutem Essen, Getränken, Musik und lebhaften Gesprächen zu erfreuen – mit Lebenden wie mit Toten.
In herzlicher Verbundenheit,
Meredith, Sam und Dashiell
Sam hatte seinen Smoking nach dem Umzug noch gar nicht ausgepackt. Er fand ihn ganz unten in einem Karton im Arbeitszimmer und fühlte sich sofort an seine frühere Arbeit und die damit einhergehenden Zwänge erinnert. Aus heutiger Sicht kam ihm das alles so belanglos vor. Die vergänglichen Höhen und Tiefen eines Lebens zwischen Online-Dating und der Arbeit in einem großen Unternehmen schienen traurig und substanzlos verglichen mit der Welt, in der er sich jetzt bewegte und in der existenzielle Themen wie Leben, Tod und Jenseits seine Gedanken bestimmten. Der Smoking machte ihm wieder bewusst, wie trostlos sein früheres Singledasein gewesen war. Er zog ihn an, bevor er ins Schlafzimmer hinüberging, wo Meredith vor dem Spiegel stand und außer BH und Ohrringen nicht das Geringste anhatte.
»Du siehst toll aus«, sagte er.
»Ich bin doch noch gar nicht angezogen.«
»Genau deshalb.«
»Welches Kleid, was meinst du ? Das hier ist hübsch und bequem, ganz im Gegensatz zu den Schuhen, die dazu passen. Das andere ist ein bisschen festlicher und weniger bequem, aber dafür sind die Schuhe angenehmer zu tragen. Das eine ist vielleicht zu festlich, aber das andere hat einen zu tiefen Ausschnitt.« Sie hielt zwei Kleider hoch, von denen das eine blau und glänzend war und das andere schwarz. Ansonsten konnte Sam keinen Unterschied ausmachen.
» Bleib doch einfach, wie du bist.«
»Ich weiß nicht, ob das so gut ankommen würde.«
»Ich schreibe die Software, Baby.« Sam zwinkerte ihr gönnerhaft zu und machte eine Pistolenhand. »Also bin ich auch derjenige, den du bei Laune halten musst.«
»Ich rechne fest mit deiner Unterstützung«, sagte Meredith.
»Tust du mir dann einen kleinen Gefallen? Bitte, mir ist gerade danach.« Er zog sein Handy aus der Tasche und wählte ihre Nummer. Sie sah ihn an, als wäre er verrückt geworden, ging aber trotzdem dran.
»Hallo?«
»Merde?«
»Ja?«
»H ier ist Sam Elling. Von der Arbeit.«
»Hi. Wie geht’s?«
»Gut, und dir?«
»Wenn ich ehrlich bin, habe ich es gerade ein bisschen eilig . Ich muss in einer Stunde auf einer Feier sein und bin noch komplett nackt.«
»Klingt verlockend «, sagte Sam. »Hör zu, ich habe heute Abend so ein e offizielle Firmenveranstaltung, bei der ich auf keinen Fall alleine aufkreuzen kann. Hättest du nicht
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