Der Algorithmus der Liebe: Roman (German Edition)
Menschen sterben doch nach wie vor.«
»Sie haben die Unsterblichkeit erfunden, mein Sohn. Und jetzt spielen Sie im wahrsten Sinne des Wortes mit dem Feuer.«
»Ich habe keineswegs die Unsterblichkeit erfunden, und ich spiele auch nicht mit dem Feuer«, antwortete Sam. »Alle Menschen sterben. Was ihre Angehörigen nach dem Tod mit ihnen tun, spielt keine Rolle. Wenn sie vorher in die Hölle gekommen wären, tun sie das jetzt immer noch.«
»Und Sie werden ihnen dort Gesellschaft leisten, mein So hn.«
Der Typ hatte eindeutig die christliche Botschaft der Menschenliebe aus den Augen verloren. Den Vertreter der Zeitung Christentum heute quälte hingegen eine echte Sorge, nämlich die um die Seelen der Menschen.
»Wir verstehen, dass Sie den Menschen beim Abschiednehmen helfen, und halten das auch für ein nobles Unterfangen«, erklärte Terry Greggs bei einer Tasse Kaffee mit Meredith, Sam und Dash, die beschlossen hatten, von nun an möglichst im Dreierpack aufzutreten, um ihrem Standpunkt so mehr Gewicht zu verleihen.
»Vielen Dank«, sagte Meredith. »Wir freuen uns, dass Sie das so sehen.«
»Der Verband Amerikanischer G eistlicher befürchtet dennoch, dass Sie den Menschen Worte in den Mund legen.«
»Aber diese Menschen sind tot«, sagte Dash.
»Tot ja«, gab ihm Terry recht, »aber das heißt nicht, dass es sie nicht mehr gibt. Ihre Seelen leben weiter. So zu tun, als gäbe es sie nicht mehr, hilft niemandem. Und es gefällt den Verstorbenen sicher auch nicht, dass Sie eine Stimme für sie erfinden.«
»Ich erfinde nichts«, widersprach Sam.
»Das müssen Sie mir erklären.«
»Ich habe einen Algorithmus entwickelt, der herausfindet, was sie sagen würden. Und jetzt erklären Sie mir doch bitte, wie Sie darauf kommen, dass den Verstorbenen das nicht gefällt?«
»Genauso . Ich habe einen Algorithmus, der es mir verrät. Die Liebe Jesu = ewiges Leben.«
»Das ist streng genommen kein Algorithmus«, erwiderte Sam.
»Ich glaube, Sie verstehen nicht, worum es hier geht«, sagte Terry.
»Was für ein Zufall. Den Eindruck habe ich bei Ihnen auch«, entgegnete Sam.
Die Mittelatlantische Medium-Vereinigung, der Geisterjäger-Verband, drei Damen namens Dee, Esmeralda und Jan sowie SieSindUnterUns.com schickten E-Mails und beschwerten sich aus ähnlichen Gründen über RePrise, waren aber leichter zu ignorieren. Die 957 religiösen Führer, die eine Petition unterzeichneten und darin ein Verbot von RePrise wegen Gotteslästerung forderten, waren da schon deutlich beunruhigender.
»W ir müssen Meredith zur offiziellen PR-Beauftragten erklären «, sagte Dash bei der nächsten notte della pizza. Weil Penny einen schlechten Tag hatte und deshalb zu Hause geblieben war und Jamie einen guten Tag hatte und deshalb wandern gegangen war, verletzte Dash die goldene Regel, dass in der notte della pizza nicht über Geschäftliches gesprochen wurde. Er verletzte außerdem die unausgesprochene Regel, dass diese Abende dazu da waren, Meredith auf andere Gedanken zu bringen.
»Warum ich?«, jammerte sie.
Dash zeigte mit der Gabel auf Sam. »Kauziger Softwareentwickler, der den Eindruck erweckt, dass er sich nicht ausdrücken kann, unsozial ist, keine Gefühle hat und schwer Verständliches vor sich hin brabbelt.« Jetzt zeigte er mit der Gabel auf sich selbst. »Wahnsinnig attraktiver und vielschichtiger Hollywood-Insider und zugleich geheimnisvoller Außenseiter, der die Leute einschüchtert und in ihren Augen nicht sehr vertrauenerweckend ist. Aber du«, schloss er und zielte mit einem Stück Pizza auf Meredith, »bist liebenswürdig, freundlich, fürsorglich und emotional, manipulierst nicht, bist aber leicht zu manipulieren. Perfekt.«
»Er hat dich gerade einen Waschlappen genannt«, merkte Sam an.
»Seit wann ist freundlich, kommunikativ und einfühlsam etwas Schlechtes?«
»Seit du angefangen hast, die Leute in die Hölle zu schicken«, antwortete Dash.
»Die Hälfte der Christenheit ist sauer, weil wir die Unsterblichkeit erfunden und die Toten abgeschafft haben, und die andere Hälfte ist sauer, weil wir die Unsterblichkeit vergess en haben und die Toten ignorieren «, beschwerte sich Sam.
»Was man auch tu t, man wird gehasst«, seufzte Dash. »Und genau deshalb brauchen wir eine bessere PR.«
Der Urheber des Spruches, dass es keine schlechte Werbung gibt, musste zu viel Personal gehabt haben und zutiefst gelangweilt gewesen sein, dachte Sam. Die fast durchweg negative Presse, die sie bekamen, hatte
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