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Der Algorithmus der Liebe: Roman (German Edition)

Der Algorithmus der Liebe: Roman (German Edition)

Titel: Der Algorithmus der Liebe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurie Frankel
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Hemmungen beseitigen, Hände schütteln, Schultern klopfen und dafür sorgen, dass hinter den Kulissen alles reibungslos ablief. Nur Meredith fühlte sich fehl am Platz, ihr schwirrte der Kopf. Sie war gut in dem, was sie tat, aber die Arbeit forderte ihren Tribut. Ständig wurde sie von selbst ernannten Sittenwächtern an den Pranger gestellt, von Journalisten ausgefragt, von Geistlichen bedroht und von jedem beschimpft, der eine Website oder eine Meinungskolumne besaß. Irgendjemand richtete sogar eine »Meredith Maxwell will Hitler zurück «-Seite auf Facebook e in, die nach einer Woche bereits 2657 Fans hatte. Sie wurde das Gesicht von RePrise. Und es war so ein hübsches, verletzliches, liebes Gesicht, dass es zur leichten Beute wurde, zum perfekten Hassobjekt. Sam streichelte dieses Gesicht, wenn es nachts vor Albträumen zuckte, wenn es beim Frühstück Mühe hatte, die Augen offen zu halten, weil es in der Nacht so wenig Schlaf abbekommen hatte, wenn es sich vor Sorge und etwas anderem – Schuld vielleicht, oder Angst – verzog. »Wir helfen den Leuten, mit ihrer Trauer zurechtzukommen «, teilte Meredith beharrlich jedem mit, der fragte. »Wir schenken ihnen eine zweite Chance, die Gelegenheit zur Wiedergutmachung.« Aber in Wirklichkeit wuchsen auch in ihr die Zweifel. Zu Sam sagte sie eines Tages: »Vielleicht ist RePrise ja wirklich nicht gerecht. Vielleicht ist es den Leuten keine echte Hilfe, und ehrlich ist es vielleicht auch nicht.« Sie sagte: »Vielleicht nutzen wir die Leute aus, missbrauchen sie, stürzen sie ins Unglück.« Und Sam antwortete: »Du hast ein viel zu weiches Herz. Weißt du nicht mehr, wie glücklich du das erste Mal warst, als du deine Großmutter auf dem Bildschirm gesehen hast?«
    Meredith begann, fast jeden Tag per Video-Chat mit Livvie zu sprechen. Anfangs wunderte sich ihre Großmutter darüber, dass sie so oft anrief, aber dann lernte die Projektion dazu, und die vielen Anrufe wurden zur Normalität. Zwar konnte Livvie Merediths philosophische Fragen nach wie vor nicht beantworten, aber sie schlug sich gar nicht schlecht, fand Sam.
    »Ach, Oma «, seufzte Meredith zum Beispiel . »Gibt es in deinem Leben nicht auch Menschen, mit denen du liebend gerne mal wieder reden würdest, wenn du könntest?«
    »Ja. I ch wünschte, deine Mutter würde öfter anrufen«, schnitt Livvie ihr Dauerthema an.
    »Ich meine aber Menschen, die nicht mehr leben«, erklärte Meredith leise.
    Darüber musste die Projektion eine Weile nachdenken. »Ich vermisse deinen Großvater«, sagte sie schließlich.
    »Ja, nicht wahr?« Meredith sprang sofort darauf an. »Würdest du ihn nicht gerne noch einmal sehen oder mit ihm reden, wenn du könntest?«
    »Natürlich, Liebling«, sagte Livvie. »Und dich vermisse ich auch. Du und Sam, ihr solltet wirklich für ein paar Wochen zu mir kommen.«
    »Ich wünschte, das ginge, Oma «, antwortete Meredith müde.
    »Lass mich raten: Du musst arbeiten.«
    Meredith nickte stumm in die Kamera. Ihnen beiden war anzuhören, dass sie diese Ausrede nicht mehr glaubten.
    »Schon gut, Schatz«, seufzt e Livvie. »Wir haben ja noch unsere Video-Chats. Das ist zwar nicht dasselbe, aber wenigstens kann ich so dein hübsches Gesicht sehen.«
    »Genau das meine ich«, sagte Meredith.
    »Ich würde dich allerdings lieber persönlich sehen.«
    »Ich weiß, Oma. Tut mir leid.«
    »Schon gut. Du hast es ja nur gut gemeint. Ich vergebe dir. Wir sprechen uns bald wieder, ja? Tschüs.«
    Meredith legte auf und sah Sam an. »Was war denn das gerade?«
    »Das ist schon mal passiert«, antwortete Sam. »Beim allerersten Mal. Als Eduard o mit Miguel gesprochen hat.«
    »Aber warum? Das ergibt doch keinen Sinn.«
    »Ich weiß. Muss irgendeine seltsame Systemstörung sein. Die Projektion fängt plötzlich an, auf den Satz ›Es tut mir leid‹ eine vage gehaltene Absolution anzubieten, aus welchem Grund auch immer. Als ob sie gar nicht mehr mit einem reden, sondern nur noch strikt nach Etikette vorgehen würde. Ich habe keine Ahnung, was der Auslöser dafür ist.«
    »Wirklich seltsam. Zumal mein ›T ut mir leid‹ gar nicht so gemeint war.«
    »Ich weiß. Und sie weiß es eigentlich auch. Ich gucke mir das mal an und versuche herauszufinden, was los ist«, versprach Sam.
    Meredith vergrub ihr Gesicht in den Händen. »Diese ganzen Video-Chats helfen sowieso nicht mehr«, sagte sie.
    »Was meinst du damit ?«
    »W enn ich echte Probleme habe, kann sie mir nicht helfen. «
    »Konnte sie

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