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Der Allesforscher: Roman (German Edition)

Der Allesforscher: Roman (German Edition)

Titel: Der Allesforscher: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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drückte.
    Ich begab mich noch einmal in das Hotel, aus dem ich gekommen war, als mich der Pottwal erwischt hatte. Dort setzte ich mich in die Lounge und bestellte mir zum Kaffee (eine schwarze Suppe, um genau zu sein) ein Stück Papier und einen Bleistift. Ich wollte Lanas Gesicht aufzeichnen, ein bißchen Matisse spielen. – Absolut lächerlich! Was dachte ich mir? Daß das Wunder der Liebe ein plötzliches Genie aus mir machte? Nein, das Gesicht, das auf dem Papier entstand, setzte sich zwar aus wenigen Strichen zusammen, doch auch wenige Spielzüge führen nicht unbedingt zum Tor. Das Gesicht, das ich gezeichnet hatte, verspottete die Wirklichkeit. Auch die Wirklichkeit, wie sie vielleicht in siebzig Jahren bestehen mochte, etwas, worauf große Künstler gerne verweisen, wenn die von ihnen Porträtierten sich nicht wiedererkennen.
    Ich legte den Bleistift weg und trank meine Suppe.
    Um so schöner, als ich abends Lana wiedersah: das Original. Sie trug dasselbe Kostüm wie am Vorabend und Morgen, mit derselben im Rot sich verbergenden Brosche. Was mich dazu verführte, uns zwei Campari zu bestellen, ohne Lana aber zu fragen, ob ihr das überhaupt recht sei.
    Sie ließ es geschehen.
    Ich hob mein Glas ein wenig in die Höhe und erklärte feierlich: »Auf diesen Abend und diese Nacht!«
    »Und danach?« fragte sie und trank einen Schluck.
    »Sie wissen ja, Frau Doktor, daß ich morgen nach Tokio muß. Aber ich komme wieder.«
    »Hierher?«
    »Natürlich. Ich fliege erst Ende der Woche zurück nach Köln.«
    »Klar doch, Ihre Verlobte wartet.«
    Ich erschrak. »Mein Gott, woher wissen Sie das?«
    »Keine Panik! Ich mach ja kein Drama draus«, versicherte sie und erklärte mir, als zuständige Ärztin mit meiner Verlobten in Köln telefoniert zu haben. Es sei ihre Pflicht gewesen.
    Ich fragte: »Wieso? Um ihr zu sagen, ich sei verrückt geworden?«
    »Nein, so was geb ich nicht weiter«, meinte Lana und lächelte, »das fällt unter die Schweigepflicht. Außerdem, als ich mit ihr sprach, da lagen Sie noch im Koma. Ich mußte Ihre Verlobte über die Aussichten aufklären, und die waren zu diesem Zeitpunkt gar nicht rosig. – Eine gefaßte Frau, wenn ich das sagen darf.«
    »Ich glaube nicht, daß ich mit ihr zusammenbleiben möchte.«
    »Wieso? Weil sie gefaßt war, anstatt zu schreien und Gott zu verfluchen?«
    »Nein, nicht darum.«
    »Doch nicht wegen dem, was gestern zwischen uns war und was heute noch zwischen uns sein wird?«
    »Wäre das so ungewöhnlich?« fragte ich. »Konsequenzen ziehen?«
    »Es wäre eine Übertreibung, deshalb eine Verlobung zu lösen. Sie werden doch sicher wissen, was Sie drüben in Europa an dieser Frau haben.«
    Genau das wußte ich eben nicht. Nicht mehr. Und hatte nicht die geringste Lust, es erneut in Erfahrung zu bringen. Ich sagte: »Ich weiß vor allem, was ich an Ihnen habe.«
    »Klar doch, nach einer Nacht kennt man sich aus«, meinte sie spöttisch. Und dann, vollkommen ernst: »Hören Sie mir zu, Sixten … Was ist das überhaupt für ein Name, Sixten?«
    »Schwedisch.«
    »Sixten Braun. Ich dachte mir, als ich ihn das erste Mal hörte, das klingt schon sehr nach Geheimagent. Wie erfunden, wie aus einem Groschenroman.«
    »Ist aber echt.«
    »Trotzdem sollten Sie aufhören, sich was einzureden. Wir schlafen heute noch einmal miteinander, und das war’s dann. Die Ärztin und ihr Patient, letztes Kapitel. Sie sind völlig gesundet, und ich kann Sie entlassen.«
    »Stimmt nicht«, warf ich ein, »ich bin noch immer krank. Ich hatte heute einen heftigen Schmerz in der Brust. Mein Herz. Wenn ich zurückkomme, müssen Sie mich untersuchen.«
    »Ich bin für Ihr Hirn, nicht für Ihr Herz zuständig.«
    Ich entgegnete: »Sie müssen mich als Ganzes nehmen. Was wäre ein Hirn ohne den, der es trägt?«
    »Ein Verdrängungsmechanismus, der sich nicht bewegen kann.«
    »He, kommen Sie …«
    Sie meinte ganz trocken: »Sie wissen, daß wir keine Zukunft haben.«
    »Macht Sie das denn gar nicht traurig?« Es war ein Betteln in meiner Stimme.
    »Wenn ich ehrlich bin: sehr!« sagte sie, nun sehr viel weniger trocken. »Aber ich werde nicht nach Deutschland zurückgehen, und Sie werden nicht nach Tainan umziehen. Stimmt doch? Und Brieffreunde wollen wir nicht sein, denk ich mir, oder? Da ist es besser, Schluß zu machen, wenn es schön ist, und nicht anzufangen, dem Unmöglichen nachzulaufen.«
    Das war ein schrecklicher Gedanke, daß die Liebe tatsächlich der Geographie unterworfen

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