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Der Allesforscher: Roman (German Edition)

Der Allesforscher: Roman (German Edition)

Titel: Der Allesforscher: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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haben.«
    »Hätte ich Fotos gesehen, würden wir jetzt nicht hier stehen.«
    »Das ist doch Wahnsinn!« wurde ich laut. »So was von einer Schlamperei! Ist das hier das einundzwanzigste Jahrhundert mit Computern und Internet? Oder tiefste bürokratische Steinzeit? Herrgott noch mal!«
    »Bitte nicht, Herr Braun. Simon versteht zwar kein Wort Deutsch, aber er weiß ja genau, daß es sich um ihn dreht. Wenn Sie so schreien, muß er denken, Sie würden ihn für ein kleines exotisches Ungeheuer halten. Nur weil er die falschen Augen hat.«
    »Meine Güte, Frau Heinsberg, was wollen Sie mir schon wieder unterstellen? Falsche Augen! Sie möchten immer, daß ich mich schlecht fühle. So geht das schon die ganze Zeit mit Ihnen. Sie versuchen mit allen Mitteln, die Welt zu retten, und jetzt sehen Sie, was dabei herauskommt. – Es ist mir ein Rätsel, wie ein solcher Irrtum geschehen konnte. Seit wann klingt der Name Braun denn Chinesisch? Die Leute in Taipeh mußten doch wissen, daß ich deutscher Staatsbürger bin. Und daß ich unmöglich der Vater dieses Kindes sein kann.«
    »Vielleicht die Leute in Taipeh, aber nicht die Leute in Tainan. Offensichtlich ist man in Taipeh von einem rein deutschen Kind ausgegangen und in Tainan von einem in Deutschland lebenden Vater taiwanischer Nationalität, der eine Deutsche geheiratet und deren Namen angenommen hat.«
    »Hier wurde viel vermutet und wenig festgestellt.«
    »Auch Computer ändern nichts am Überfordertsein der Menschen. Und am Wirrwarr, das zwischen so unterschiedlichen Sprachen besteht«, bemühte sich die Münchnerin in Taiwans Diensten eine Erklärung zu finden, wobei sie die ganze Zeit ihre Hand sachte auf der Schulter des Jungen abgelegt hatte. Sicher nicht, um sich abzustützen, so dünn, wie der Junge war. Auch recht klein für einen Siebenjährigen, aber nicht kleinwüchsig. Klein halt. Und feingliedrig. Mit ängstlichem Blick, was nun wirklich kein Wunder war. Er trug einen viel zu großen Pullover, unter dem man sich das bißchen Haut und Knochen vorstellen konnte. Dabei war dieser Junge keinesfalls unterernährt, sondern bloß mager, wie nicht wenige Erstkläßler überall auf der Welt mager sind, selbst dann, wenn sie den lieben langen Tag Kuchen und Gummibärchen in sich hineinstopfen.
    Ich fragte mich, ob das Absicht war, daß man ihn so angezogen hatte, Größe L, dicke Wolle, und das bei der Hitze. Ob man also versuchte, mir ein trauriges, kleines, mitleiderregendes, dauerfrierendes Geschöpf zu präsentieren. Denn in der Tat, ich fühlte mich wie im Waisenhaus oder im Tierschutzheim. Meinte man denn, ich würde das superreiche Taiwan mit dem superarmen Nordkorea verwechseln? Dünn mit verhungert? Am liebsten wäre ich sofort aufgestanden, um den Raum zu verlassen und mir das Elend nicht länger anschauen zu müssen. Freilich bestand das Elend in erster Linie in den erstaunlichen Fehlschlüssen, die dazu geführt hatten, daß man ein Kind, welches schon rein optisch nicht das meine sein konnte, nach Deutschland geflogen hatte. Oder stand dahinter gar ein Kalkül? Hatte sich irgendeine Bürokratie dumm gestellt? Oder alle zusammen?
    Ich sagte: »Es muß doch einen Hinweis auf den richtigen Vater geben.«
    »Wenn’s einen solchen gäbe, glauben Sie denn, man hätte den Jungen hierher gebracht?«
    »Ach was, Sie immer mit Ihren Antworten!« beschwerte ich mich. Und beschwerte mich weiter: »Den Taiwanern trau ich auch zu, eins von diesen freilaufenden Parkäffchen nach Europa zu schicken, nur damit in Tainan ein Affe weniger ist, der Dreck macht und aus den Taschen der Touristen die Sachen klaut.«
    Heinsberg schüttelte angewidert den Kopf und meinte: »Ich habe mich in Ihnen getäuscht, Herr Braun. Wenn Sie so reden, erkenne ich Sie nicht wieder. Simon ist kein Affe, und er ist auch kein kleiner Taschendieb.«
    »So habe ich das nicht gemeint.«
    »Nein?! Nicht?! – Nun, ich werde Simon jetzt zurückbringen. Nachher darf ich Sie zu meinem Vorgesetzten führen. Er möchte sich ganz offiziell für die Mühe, der Sie sich unterzogen haben, entschuldigen. Sinnlose Mühe, leider Gottes.«
    Auch wenn Frau Heinsberg in keiner Weise Frau Dr. Senft ähnlich sah, so meinte ich dennoch eine große Verwandtschaft zwischen diesen beiden Frauen festzustellen. Nicht, daß ich hier und jetzt begann, mich in Frau Heinsberg zu verlieben, nur weil sie mir soeben das Leben schwermachte. Da hätte ich mich noch viel öfter verlieben müssen. Nein, das war es nicht. Doch

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