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Der Allesforscher: Roman (German Edition)

Der Allesforscher: Roman (German Edition)

Titel: Der Allesforscher: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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war eine Schlange und bahnte sich an allen Abwehrversuchen der Menschen vorbei ihren Weg.
    War dies aber tatsächlich der Fall, warum hatte Lana nie versucht, mit mir Kontakt aufzunehmen? Hatte sie nicht gewollt? Nicht gekonnt? Hatte sie gefürchtet, der Vater ihres Kindes könnte sich als Arschloch herausstellen? – Die Dame von der Botschaft, die keine Botschaft war, hätte jetzt bestimmt gesagt: »Das letztere höchstwahrscheinlich.«
    Vor allem aber eines: Was war es, das mich antrieb, am nächsten Tag genau diese Dame anzurufen? Wollte ich ihr nur zuvorkommen?
    Sie erkundigte sich sogleich, ob ich ihren Vorgesetzten sprechen wolle.
    »Nein, nein, wir zwei kriegen das schon hin.«
    »Das freut mich, daß Sie das meinen«, sagte sie.
    Ich wartete eine Weile, wie um den Frieden auszukosten, der in diesem Moment herrschte, und wollte dann wissen, was man von mir erwarte.
    »Darf ich es kurz machen?« fragte meine neue Freundin .
    »Von mir aus.«
    »Ihre Vaterschaft anerkennen und das Kind zu sich nach Deutschland nehmen.«
    »Ach ja. So einfach also.«
    »Wir würden zusehen, daß Ihnen von taiwanischer Seite keine Steine in den Weg gelegt werden. Und ich denke, auch die deutsche Behörde wird nichts unternehmen, was den Prozeß komplizieren könnte. Ich darf vielleicht sagen, daß man sich durchaus noch bewußt ist, wie dramatisch die Umstände Ihres Taiwanaufenthalts damals waren, auch wenn es sich bei dem abgestürzten Flugzeug um eine japanische Maschine gehandelt hat.«
    »Was hat das denn damit zu tun?«
    »Dies war doch immerhin der Grund, daß Sie nicht wieder nach Tainan zurückgekehrt sind, sondern sofort nach Deutschland ausgeflogen wurden.«
    Nun, wäre nicht die Walgeschichte gewesen, wäre ich bereits viel früher zu Hause gewesen. Doch auch jetzt, gegenüber der Dame von der taiwanischen Vertretung, verzichtete ich, diese peinliche Begegnung mit einem toten Fünfzigtonner zu erwähnen. Vielmehr verwies ich darauf – bereits tief in der Defensive stehend –, geschieden zu sein, zudem derzeit ohne Lebenspartnerin. Ich könnte in keiner Weise familiäre Verhältnisse garantieren.
    »Na, in diesem Fall zählt wohl Ihr einstiger Kontakt zur Mutter des Kindes und nicht, ob Sie aktuell in einer eheähnlichen Beziehung leben. Außerdem: Ein Vater und ein Kind, das ist dann bereits eine Familie, nicht wahr?«
    Das hatte etwas für sich. Eine Familie waren zwei. Und wenn man sich Gott vorstellte, war man praktisch schon zu dritt. – Genau, ich hatte angefangen, an Gott zu glauben. Merkwürdigerweise aber nicht in dem Sinne, eine Überzeugung gewonnen zu haben, die ich vorher nicht gehabt hatte. Auch nicht aus Gründen der Angst oder Vorsorge. Oder gar der Konvention, wie im Falle meiner »weißen Heirat«. Eher war es so wie mit diesen zugelaufenen Tieren. Sie waren plötzlich da, und man bekam sie nicht mehr weg, auch wenn man versuchte, sie fortzuscheuchen. In erster Linie, weil man den Dreck fürchtete, den sie machten. Haare auf dem Sofa und Schlimmeres.
    Ich will jetzt nicht sagen, Gott würde Dreck machen … na, in gewisser Weise eben doch. Geistigen Dreck. Er verführt einen zu seltsamen Gedanken, die ebenfalls auf dem Sofa kleben bleiben oder sich als spirituelle Knäuel in den Zimmerecken sammeln. Andererseits ist seine Anwesenheit sehr angenehm. Er verströmt ein behagliches Gefühl. Man kann ihn an guten Tagen gewissermaßen schnurren hören. Was nicht heißen soll – denn wir sind ja keine alten Ägypter –, Gott sei eine Katze. Aber sein Verhalten ist manchmal schon recht ähnlich.
    Nicht auszuschließen, daß jener Gott seine »Katzenfinger« im Spiel hatte, als ich mich nur einen Tag später hinreißen ließ, die in München agierende Angestellte der Taipeh-Vertretung erneut anzurufen und ihr zu sagen: »Okay, ich kooperiere.«
    »Ach, wie schön«, meinte sie. Ihre Stimme war wie diese kleinen, zarten Damenhüte, die das Haar vor so gut wie gar nichts schützen, aber in einer kecken Weise schmücken.
    Wenn zuvor gesagt wurde, Bürokratien unterlägen »kosmischen Bedingungen«, dann war das hier ein guter Beweis: einerseits der Fügungen, andererseits aber auch des Chaos wegen, das diesen Fügungen innewohnte. – Man wird bald sehen, warum ich das sage.
    Zunächst einmal rechnete ich selbst nach. Denn es versteht sich, daß die Münchner Dame bereits beim ersten Gespräch das Geburtsdatum des Kindes genannt hatte: den 5 . Dezember 2004 . Wenn ich nun die üblichen neun Monate

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