Der Allesforscher: Roman (German Edition)
Gemischtwarenladen, die KAI-Produkte exklusiv vertrieb und es sich darum ergab, daß die Damen der Tainaner Gesellschaft zwischen allerlei Plunder standen, zwischen Plastikeimern und Zigarettenschachteln, und die bestellten KAI-Behältnisse in Empfang nahmen (einfache Holzkisten, aber einfach in der Weise, wie man sagen kann, Piet Mondrian habe einfache Gemälde gemalt).
Bei einem dieser Besuche in Tainan war Auden zu einer Party geladen worden, die zu besuchen das gute Benehmen erforderte. Ohnehin war »gutes Benehmen« ein Verhalten, das eigentlich alles, auch Partys, erträglich machte. An diesem Abend aber kam das Glück hinzu, eine deutsche Ärztin kennenzulernen. Nicht die erste deutsche Frau in Audens Leben und mitnichten die erste Ärztin, aber … nun, er wußte sofort, daß er sich in sie verlieben würde. Obgleich er irritiert war, daß sie gelbe Turnschuhe trug, zitronengelbe, während sie im übrigen mit einem so engen wie strengen schwarzen Hosenanzug bekleidet war, zu dem halbhohe, ebenso schwarze Schuhe gepaßt hätten. Na, vielleicht war es ihr Markenzeichen oder entsprach einer Art Ablenkungsmanöver. Ablenkung wovon? Von ihren Augen? Bernsteinaugen, sehr hell, wie von hinten beleuchtet, wie im Museum. Kein verstaubtes Museum, natürlich nicht. Sondern ein Museum, welches um diese zwei so gut wie identischen Bernsteinstücke herum gebaut worden war.
Sie blieb an diesem Abend abweisend. Etwas, das er nicht gewohnt war. Die meisten Frauen setzten seine Person mit seinen Produkten gleich und waren ihm rasch gewogen. Hier war es anders. Vielleicht kannte sie seine Cremes nicht. Er ließ ihr am Tag darauf ein Holzkistchen mit KAI blue heart © zusenden und besuchte sie sodann in dem Krankenhaus, in dem sie arbeitete.
Sie fragte ihn: »Finden Sie denn, ich hätte eine Gesichtscreme nötig?«
»So war es wirklich nicht gemeint, liebe Frau Doktor.«
»Ich werde es einer Freundin von mir schenken.«
Er unterdrückte den Impuls, ihr zu sagen, wieviel dieses Kistchen wert sei, verbeugte sich – nicht japanisch, weil er ja auch kein Japaner war – und verließ das Krankenhaus.
Er gab auf. Ein bißchen schnell, aber lästig zu sein war wirklich nicht seine Art.
Um so überraschter war er, als Tage später sein Handy läutete und sich Frau Dr. Senft meldete. Ja, er hatte die eigene Nummer auf den Boden der KAI-Box notiert, kaum sichtbar. Lana mußte sie entdeckt haben und sagte jetzt auch, wie lächerlich es sei, eine Telefonnummer ohne speziellen Hinweis auf die Unterseite eines Holzkistchens zu schreiben.
Er fragte sie, ob sie ihn darum anrufe, um sich zu beschweren.
»Nein. Ich wollte nur sagen, daß, wenn Sie wieder in Tainan sind, Sie mich gerne besuchen können, wenn Sie wollen.«
»Ich bin morgen dort«, erklärte er augenblicklich. Er hatte es soeben beschlossen.
Er führte sie tags darauf in eine Ausstellung. Danach in eine Bar. Sie erzählte, und er hörte zu.
Einmal fragte sie: »Ihre Cremes sind Hokuspokus, nicht wahr?«
»Was ist das … Hokuspokus?«
»Mumbo jumbo«, sagte sie.
Aber das war es nicht, was er meinte. Das Wort hatte er verstanden. Er erklärte: »Meine Cremes wirken. Wahrscheinlich muß man auch daran glauben, daß sie wirken. Aber gilt das nicht für alles? Ohne den guten Glauben würde auch dieser Whisky hier nicht schmecken.«
Sie betrachtete ihn, als denke sie, die Hirnforscherin, darüber nach, wieviel guter Glauben nötig sei, um ihn lieben zu können. Nicht den Whisky, den Mann. Dabei war Auden wirklich nicht häßlich. Im Gegenteil. Für einen Asiaten recht großgewachsen, eher breit, aber nicht zu breit, breit wie Richard Burton, zudem sehr elegant, eine dunkle Hornbrille tragend, dahinter ein Gesicht, wegen dem einer mal gesagt hatte, Auden sehe aus wie eine Mischung aus Preisboxer und romantischem Schöngeist.
Sie erwähnte den alten Spruch, der Glaube versetze Berge, daß dabei aber gerne übersehen werde, wieviel Werbung im Vorfeld solcher Gläubigkeit für die Versetzbarkeit von Bergen gemacht werde.
»Ich gebe gerne zu«, sagte er, »daß die Verpackung wichtig ist. Aber ist das nicht normal bei einer Spezies, die es aufgegeben hat, nackt durch die Gegend zu laufen?«
»Das ist komisch, daß Sie das sagen«, meinte sie.
»Wieso?« fragte er.
Bekam aber keine Antwort. Erst später, als sie beide miteinander im Bett lagen und Frau Dr. Senft es unterließ, sich vollständig auszuziehen, ihren BH und ihre Bluse anbehielt und ihm zudem verbot,
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