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Der Alte, dem Kugeln nichts anhaben konnten - Roman

Der Alte, dem Kugeln nichts anhaben konnten - Roman

Titel: Der Alte, dem Kugeln nichts anhaben konnten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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nicht? Die Geschichte ist doch glaubhaft. Das reicht.« Er hielt einen Moment inne, tat verwirrt. »Hatten Sie selbst mir nicht gesagt, dass Pratt alle Morde begangen hat? Sie sind der legendäre Buck Schatz. Ihnen vertraue ich.«
    Jennings hatte Recht. Es stand mir nicht zu, den kompromisslosen Sucher nach der Wahrheit zu spielen, nachdem ich erst kürzlich versucht hatte, dem Schuldeneintreiber die ganze Sache anzuhängen.
    Aber es waren größere Sünden im Spiel als einige Notlügen, und Jennings war drauf aus, das Geld vom Tisch einzustreichen und gleichzeitig noch die Chips zu verschieben.
    Ich dachte daran, dass man fünf Stunden von Memphis nachSt. Louis fuhr, Pausen nicht eingerechnet. Jennings sagte, die Polizei in St. Louis habe ihn informiert, dass wir im selben Hotel wohnten, in dem Yael ermordet wurde. Zwischen zwölf Uhr mittags, als die Reinigungskraft Yael fand, und halb sechs, als Jennings Tequila in der Lobby begegnete, hatte er aber kaum genug Zeit gehabt, um von Memphis nach St. Louis zu kommen. Die Cops in St. Louis müssten Jennings unmittelbar kontaktiert haben, nachdem sie auf die Leiche gestoßen waren, und Jennings hätte den gesamten Weg mit Blaulicht auf dem Dach seines Wagens und durchgetretenem Gaspedal gefahren sein müssen.
    Vielleicht möglich. Wahrscheinlicher aber, dass Jennings bereits vor dem Mord in St. Louis gewesen war. Und verdammt, ich wusste, wie ein Mann mit einer lebensgefährlichen Kopfverletzung aussah.
    »Wir haben Pratt nicht zu Tode geprügelt«, sagte ich. »Und er lag auch nicht im Sterben, als er Ihnen von uns übergeben wurde.«
    »Ich weiß gar nicht, warum Sie immer wieder davon anfangen, Buck. Der Typ ist tot, das können Sie mir glauben.«
    Ich stellte mir vor, wie Jennings Pratt auf dem Rücksitz seines Cavalier verstaut hatte und dann die Straße hinuntergefahren war. Aber als er an die Ecke kam, hatte er nicht den Weg zur Poplar Avenue eingeschlagen, sondern das Automatikgetriebe auf Parken gestellt und unters Armaturenbrett gegriffen. Womöglich hatte er da ein Jagdgewehr mit Zielfernrohr angebracht.
    Er hatte sich ins nasse Gras gehockt und umgesehen, ob auch keine Augenzeugen da waren. Dann hatte er den Gewehrkolben an die Schulter gedrückt, den Ellbogen auf das Knie gestützt, und einen einzigen Schuss abgefeuert.
    Ich stellte mir vor, wie er den Kofferraum öffnete, das Gewehr auf die vier schweren Rucksäcke warf und dann hineingriff, um einen Montierhebel hervorzuholen oder einen derGoldbarren. Ich stellte mir vor, wie er damit Pratt den Schädel einschlug.
    Ich saß inzwischen aufrecht im Bett und gab mir alle Mühe, das Gesicht nicht zu verzerren, obwohl meine Seite grausam schmerzte. »Ich bestreite die Tatsache ja nicht, dass Pratt tot ist. Aber wir waren es nicht, die ihn getötet haben.«
    Jennings schwieg, aber schon bald stahl sich ein träges Lächeln auf sein Gesicht. Das war für mich so gut wie eine Bestätigung.
    »Ich bin enttäuscht, dass Sie nicht früher drauf gekommen sind. Ihrer Legende sind Sie nicht gerecht geworden«, sagte er. »Aber Sie sind jedenfalls weitaus schwieriger umzubringen, als ich erwartet hätte.«
    Es konnte nur einen Grund dafür geben, dass er nicht mehr versuchte, es zu leugnen.
    »Schätze, Sie sind jetzt hier, um die Sache zu Ende zu bringen.«
    »Richtig, Buck.« Er strich sich wieder über den Schnurrbart. »Wären Sie an meiner Stelle, würden Sie dasselbe tun.«

48
    Die erste Überlebensregel betrifft das situationsbezogene Bewusstsein: Die Bestandsaufnahme der Umgebung ist unentbehrlich.
    Ich saß in einem abgedunkelten Raum mit einem Mann zusammen, der mindestens vier Menschen umgebracht hatte und gekommen war, mich zu töten. Ich hatte eine Schusswunde an der Seite, die zwar genäht worden war, aber noch nässte und verteufelt wehtat. Zwar hatte ich deswegen Schmerztabletten genommen, aber die wiederum beeinträchtigten meine Reflexe, die ohnehin nicht mehr die besten waren.
    Das Merkheft und ein Kugelschreiber lagen zusammen mit sämtlichen Pillen, die ich zu nehmen hatte, neben mir auf dem Beistelltisch.
    Und ich wusste, dass irgendwo in dem Merkheft die Worte Gregory Cutters notiert waren, die er am Grab von Lawrence Kind gesprochen hatte:
    »Schlussendlich wissen wir alle, dass wir dem Feind von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen werden, mutterseelenallein, in der Dunkelheit, wenn wir schwach sind und verzagt.«
    Wie recht er gehabt hatte.
    »Sie können jetzt ruhig schreien, wenn Sie

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