Der Altman-Code
ruhig und klar.«
»Das Wetter ist nicht die einzige variable Größe, Sam.«
»Das ist es, was mir Sorgen macht, Fred.«
»Es macht auch mir Sorgen.« Klein konnte den Präsidenten schwer atmen hören.
Offensichtlich war er allein.
»Was passiert deiner Meinung nach gerade? In … wo ist Colonel Smith?«
»In Dazu, Sichuan«, erinnerte Klein den Präsidenten.
»Beim Schlafenden Buddha.« Castilla wurde still. »Den habe ich auch mal besichtigt.
Im Verlauf einer Chinareise. Mitsamt diesen ganzen Skulpturen.«
»Ich habe sie nie gesehen.«
»Wirklich beeindruckend. Einige sind fast zweitausend Jahre alt, das Werk großartiger Künstler. Manchmal frage ich mich, was wir den Menschen, die in tausend Jahren auf der Erde leben werden, eigentlich Brauchbares hinterlassen.« Der Präsident wurde wieder still. »Wie spät ist es dort? Am Schlafenden Buddha?«
»So spät wie in Beijing, Sam. Der Einfachheit halber haben sie in China alle Zeitzonen zusammengelegt. Dort ist es jetzt ungefähr vier Uhr morgens.«
»Müsste es dann nicht schon vorbei sein? Müssten wir nicht schon längst von ihnen gehört haben? Auch etwas über meinen Vater?«
»Ich weiß auch nicht, Sam. Colonel Smith kennt den zeitlichen Rahmen.« Klein konnte spüren, wie der Präsident nickte. »Ja, natürlich kennt er den.«
»Er wird sein Bestes tun, und niemandens Bestes ist besser als seins.« Wieder das bestätigende Nicken irgendwo im Weißen Haus, so, als wäre der Präsident sicher, dass alles gut gehen würde, obwohl ein anderer Teil von ihm fürchtete, dem könnte nicht so sein. »Ich muss das Dokument bekommen, und ich muss Niu Jianxing in Beijing eine Kopie davon zukommen lassen. Aber dafür ist es inzwischen zu spät, nicht wahr? Die Zeit würde nicht einmal mehr reichen, um eine Kopie nach China zu schicken und zu hoffen, dass die Hardliner damit zu überzeugen sind. Über ein Fax oder eine E-Mail würden sie nur lachen. So etwas ließe sich zu leicht fälschen. Wenn unsere Vermutung zutrifft und in Zhongnanhai tatsächlich jemand sitzt, der einen Krieg will, bestünde für den Betreffenden jedenfalls kein Anlass, etwas anderem Glauben zu schenken als dem Originalverzeichnis.«
»Smith wird sich schon etwas einfallen lassen.« Klein versuchte, dem Präsidenten Mut zu machen. Aber er hatte keine Ahnung, womit.
Ebenso wenig wusste es der Präsident. »In einer Stunde, vielleicht sogar schon früher, werde ich Brose bitten, den Befehl zu erteilen, an Bord der Empress zu gehen. So, wie ich die Sache sehe, führt daran kein Weg vorbei. Du hast dein Bestes getan. Alle haben ihr Bestes getan. Jetzt bleibt uns nur noch, zu hoffen und zu beten, dass die Chinesen einen Rückzieher machen, obwohl ich mir das nicht vorstellen kann.«
»Nein, Sam. Ich auch nicht.« Das Schweigen zog sich länger hin. Die Stimme, die schließlich aus dem Hörer kam, war traurig, niedergeschlagen. »Es ist wieder genau die gleiche tragische Idiotie wie im Kalten Krieg. Nur sind inzwischen die Waffen noch leistungsfähiger, und vielleicht stehen wir diesmal ganz allein da. In zwei Stunden werden wir es wissen.«
Dienstag, 19. September - Dazu
Am Fuß des Berges, hinter dem die Schlucht mit dem Schlafenden Buddha lag, war David Thayer, von den ungewohnten Aufregungen der Nacht tief erschöpft, auf dem Rücksitz der alten Limousine eingeschlafen. Chiavelli, der auf den alten Mann aufpasste, hatte die in China hergestellte AK-47, die Asgar Mahmout ihm gegeben hatte, im Schoß liegen. Er war sehr beeindruckt von Thayers Energie und Durchhaltevermögen und führte seine Erschöpfung weniger auf die körperlichen Anstrengungen als auf die nervliche Belastung zurück.
Auch Chiavelli machte die ständige Anspannung zu schaffen, besonders hier, unter dem beengenden Blattwerk des dichten Gestrüpps, das sie verbarg und in dem sie nichts anderes tun konnten, als zu warten. Er ertappte sich dabei, wie er immer wieder einnickte, um gleich darauf mit klopfendem Herzen hochzuschrecken. Jedes Mal, wenn er die Augen aufschlug, brauchte er länger, um zwischen Dösen und Wachsein zu unterscheiden. Als er jedoch diesmal mit einem schmerzhaften Halszucken aufwachte, brauchte er nur Sekunden, um zu merken, dass er wirklich wach war und dass das Geräusch in seinen Ohren nicht sein Herzklopfen war.
Es waren viele Füße, die auf der nahen Straße näher kamen. Schwere, in Stiefeln steckende Füße, die sich in einem Rhythmus bewegten, der ihm nur zu gut vertraut war. Marschierende
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