Der Altmann ist tot: Frl. Krise und Frau Freitag ermitteln
nicht verstehen. Okay, ich muss jetzt los. Wir haben um acht Einweisung.»
Ich kann es gar nicht glauben. Die Krise. Meldet sich krank, weil sie mit dem Baby von Eileen Wuttke zum Kinderarzt geht. Die leibliche Mutter fühlt sich nicht. Ich kann das natürlich gaaar nicht verstehen, weil ich keine eigenen Kinder habe. Aber diese Estrella ist nun auch nicht das Kind von der Krise … na ja, egal. Ich muss los. Wir haben unser jährliches Schulwaldlaufspektakel. Ein Staffellauf um den Schlachtensee. Ich hatte mich schon voll drauf eingerichtet, mit Frl. Krise irgendwo unter einem Baum zu stehen, heimlich zu rauchen und über diesen ominösen Erpresserbrief zu sprechen. Toll, jetzt kann ich da den ganzen Vormittag mit irgendeinem Kollegen verbringen. Die sind immer so langweilig. Nie wollen sie über die Schule oder die Schüler sprechen, und das Privatleben meiner Kollegen interessiert mich nicht die Bohne. Obwohl, wenn ich mit der Schirmer eingeteilt werde … so ein paar Details aus dem Parapluie-Alltag …
«Guten Morgen, Frau Freitag.»
«Guten Morgen, Herr Fischer.»
Herr Fischer ist heute mal nicht im Anzug. Wahrscheinlich meint er, dass diese alte Jeans und dieses komische verwaschene Sweatshirt seine sportliche Seite betonen. Er guckt auf sein Klemmbrett: «Frau Freitag, Sie waren mit Kollegin Krise eingeteilt … die hat sich aber für heute krankgemeldet. Deshalb stehen Sie am Abschnitt C mit dem Kollegen Wernitzki. Sie wissen ja, wo das ist. Der Kollege ist schon dort.»
Na super. Mit dem Wernitzki … den ganzen Vormittag. Rauchen kann ich ja dann wohl auch vergessen. Und worüber soll ich mit dem denn sprechen? Das ist doch so ein Langweiler. Danke, Frl. Krise! Danke, Eileen!
Na, werd ich mal auf dem Weg noch schnell eine qualmen. Bähhhh, da steht der schon, der Wernitzki. Oh no, in Jogginghosen! Wozu das? Wir stehen doch nur am Rand der Strecke rum und passen auf, dass die Schüler nicht abkürzen.
«Tachchen!»
«Guten Morgen, Frau Freitag. Frl. Krise ist krank, habe ich gehört … da musst du wohl jetzt mit mir vorliebnehmen.»
«Ja, muss ich wohl.» Mist, wohin jetzt mit der Kippe. Die Glut habe ich schon auf den Boden fallen lassen. Aber den Filter … wenn ich den jetzt hier hinschmeiße, dann sieht der Wernitzki das. Muss ich wohl in die Hosentasche stecken. Boah, das stinkt dann immer so.
«Hannes, du siehst ja so sportlich aus. Rennst du heute in der Lehrerstaffel mit?»
Wernitzki lacht, gibt mir mit einer Handbewegung zu verstehen, dass ihm so was nie in den Sinn kommen würde, und klopft sich dabei selbstgerecht auf seinem dicken Bierbauch rum.
«Bist du überhaupt schon mal mitgelaufen? Hattet ihr nicht mal eine Mathe-Physiker-Staffel? Der Altmann, der war doch immer dabei.» Ich erinnere mich mit Schaudern daran, wie sich Günther immer vor dem Lauf aufgewärmt hat. Immer in so hautengen Funktionshöschen, die jedem gleich mitteilen sollten, dass er auch in seiner Freizeit viel joggt. Jedes Jahr ist er mitgerannt und hat eine Show gemacht, als würde er an Olympia teilnehmen. In meinem ersten Jahr an der Schule war ich ja auch noch so blöd, mich in die Lehrerstaffel einzutragen. Dabei renne ich nie. Und mein Zigarettenkonsum trägt auch nicht gerade zu einer Konditionssteigerung bei. Der blöde Altmann ist damals mit irgend so einem dummen Spruch an mir vorbeigezogen. Einmal und nie wieder. Seitdem war ich immer Streckenposten. Immer mit Frl. Krise. Immer. Nur heute nicht.
«Ah, guck, ich glaube, die sind gerade gestartet. Da kommen die ersten Schüler. Das ist doch Hassan, aus der Kriseklasse. Mann, hat der ein Tempo drauf. Das kann der nie durchhalten. Aber das kannst du den Schülern noch so oft sagen, dass die sich ihre Energie einteilen sollen. Das kapieren die nie. LOS, HASSAN , SUPER ! WEITER SO !!!!»
Hannes guckt mich von der Seite an.
«Was ist? Man muss die Schüler doch motivieren.» Typisch Wernitzki. Das versteht er natürlich nicht. Der macht einfach immer nur seinen todlangweiligen Unterricht, und nachher kriegen alle gute Noten, und er hat seine Ruhe. Warum der überhaupt Lehrer geworden ist?
«Warum bist du eigentlich Lehrer geworden?»
«Hä? Was meinst du?»
«Na, wolltest du schon immer Lehrer werden?»
«Nein. Also, ich hab ja Mathe und Physik studiert und wollte eigentlich an der Uni bleiben, aber … na ja.»
«Aber na ja – was?», frage ich. So leicht lasse ich ihn jetzt nicht von der Angel.
«Du, in der freien Wirtschaft oder an der Uni,
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