Der Amerikaner - The American
bringen. Vorausgesetzt, wir gehen dort mit äußerster Vorsicht vor, um keine Beweise zu zerstören, haben wir eine gute Chance, nützliche Hinweise zu finden, die uns zum Beispiel verraten könnten, wie er jetzt aussieht. Im Augenblick können wir sonst nur sehr wenig tun. Meiner Ansicht nach ist es an der Zeit, unsere Anstrengungen auf ein Ziel zu konzentrieren.«
Jetzt machte sich nach und nach beifälliges Gemurmel breit, aber Kharmai war trotzdem überrascht, dass auch Landrieu ihr sofort beipflichtete. »Für mich klingt das vernünftig. Das mit den Straßensperren sollten wir lassen. Es wäre sowieso schwierig, um diese frühe Morgenstunde genügend Leute dafür zu mobilisieren, Mrs Susskind. Ich schlage vor, dass Sie stattdessen einen Richter wecken. Wann können wir loslegen?«
Die stellvertretende FBI-Direktorin blickte auf die Uhr. »Die meisten meiner Leute sind bereits vor Ort. Um fünf Uhr morgens, wenn wir den Durchsuchungsbefehl bis dahin haben …«
»Hervorragend.« Landrieu zog die Manschette seines Hemdes zurück und warf ebenfalls einen Blick auf die Uhr. »Das wäre also in drei Stunden. Halten Sie mich auf dem Laufenden, wenn Sie in Virginia gelandet sind. Es ist sinnlos, um diese Zeit den Präsidenten zu wecken. Damit sollten wir warten, bis wir ihm etwas Nützliches mitzuteilen haben. Wer nicht unterwegs ist, findet sich um sieben wieder hier ein. Präsident Chirac und Ministerpräsident Berlusconi sind gestern Abend in Washington gelandet, Ladies and Gentlemen. Die Bootspartie ist für neun Uhr morgens angesetzt. Damit bleiben uns sechs Stunden, um den Mann zu fassen, der uns seit gut sieben Jahren immer wieder entkommen ist. Ich schlage vor, Sie machen sich an die Arbeit.«
Fünf Minuten später hatte sich der Raum fast völlig geleert. Kealey war einer der Letzten, der ihn verließ, und als er nach rechts und links blickte, sah er Kharmai ein ganzes Stück entfernt im Flur. Sie rannte fast, und er musste sich beeilen, um sie einzuholen.
»Wohin so schnell? Stimmt was nicht?«
»Was soll das heißen? Du weißt sehr gut, was nicht stimmt.«
»Nein, weiß ich nicht.« Sie rannte immer noch, und er war wirklich verwirrt. »Du traust mir viel zu viel zu, Naomi. Nur für die Akten, ich bin ziemlich begriffsstutzig und habe keine Ahnung, wovon du redest.«
Sie lächelte nicht. »Du hättest dir deine kleine Intervention sparen können, Ryan. Auf so etwas bin ich nicht angewiesen,
verstanden? Es war beschämend. Ich kann für mich selbst sprechen.«
»Ich weiß … Bleib mal einen Moment stehen, Naomi.« Als sie es unerwartet tat, musste er einen Schritt zurücktreten, um ihr in die Augen zu blicken. »Wohin willst du eigentlich?«
»Ich habe mir einen Platz im nächsten Helikopter nach Richmond gesichert.«
Das kam überraschend. »Mit wem?«
»Mit Polizeichef Plesse und Mrs Susskind.«
Kealey hob eine Augenbraue. »Hat Harper das genehmigt?«
»Es war sein Vorschlag.« Sie verschränkte die Arme vor der Brust und blickte ihn trotzig an. Ihre Wangen waren immer noch ein bisschen gerötet, und ihr glänzendes schwarzes Haar fiel ihr ins Gesicht.
Kealey fand, dass sie nie besser ausgesehen hatte. »Ich komme auch mit.«
Sie schüttelte langsam den Kopf. »Harper hat ausdrücklich gesagt, dass du hier bleiben sollst.«
»Was Harper sagt, ist mir scheißegal.«
Ihre Miene wurde etwas versöhnlicher, wie ihre Stimme. »Wir wissen nicht mit Sicherheit, ob er noch dort ist, und wir brauchen hier jemanden. Eigentlich müsste ich dir das nicht erzählen.«
Er wusste, dass sie Recht hatte. Als sie sich wieder in Bewegung setzte, packte er ihren Ärmel. »Hör zu, es tut mir Leid, was ich da drin gesagt habe. Ich hätte die Klappe halten sollen. Aber dieser Landrieu ist so ein Arschloch …«
»Stimmt. Ich denke genauso.«
Für einen Augenblick schauten sie sich schweigend an, dann drückte Kealey ihr spontan einen Kuss auf die Wange. »Pass gut auf dich auf, Naomi.«
»Wird schon gut gehen. Da du diesmal nicht vor Ort bist, kannst du auch nicht auf mich schießen.«
Bevor ihm eine passende Antwort einfiel, rannte sie schon zur Treppe. Als sie einige Augenblicke später in den eiskalten Wind hinaustrat und zu dem wartenden Helikopter ging, lächelte sie, und trotz der niedrigen Temperatur war ihr überhaupt nicht kalt.
32
Richmond, Virginia • Hanover County
Sobald der Bell-206-LongRanger-Helikopter auf dem Dach des Verwaltungsgebäudes der Virginia State Police gelandet
Weitere Kostenlose Bücher