Der Amerikaner - The American
eingegangen.«
Sie antwortete nicht. Kurz darauf steuerte Kealey den Nissan auf den Parkplatz des Victoria and Albert Hotel. Nachdem sie sich ins Gästebuch eingetragen hatten, entschlossen sie sich, eine
leichte Mahlzeit auf der Terrasse einzunehmen, die einen wunderbaren Blick auf die Bucht bot. Beide waren schon jetzt müde, ließen sich aber neben der Speisekarte auch die Weinkarte bringen.
Das Essen war exzellent, und der Genuss wurde durch den faszinierenden Blick auf die im rötlichen Licht des Sonnenuntergangs daliegende Bucht und den Tafelberg noch gesteigert.
Zunächst kam das Gespräch nur stockend in Gang, doch allmählich begann Kealey seine ursprüngliche Abneigung gegen Kharmai zu überwinden. Ihm war klar, dass es zum einen an ihrem betörenden Aussehen lag, zum anderen am Wein, aber sie wurde ihm nach und nach immer sympathischer. Wenn er an ihr aggressives Verhalten nach dem Vorfall in der Bar in Norfolk dachte, fiel ihm andererseits sofort ihr Lächeln vor dem Kennedy-Warren-Gebäude ein, und wenn er sich an ihre mangelnde Dankbarkeit erinnerte, sah er umgehend wieder vor sich, wie sie sich in dem Hotelzimmer die Tränen aus den Augenwinkeln gewischt hatte. Trotz dieser widersprüchlichen Gefühle musste er immer wieder in ihre grünen Augen blicken.
Als sie die Mahlzeit schon lange beendet hatten, brachte der Kellner eine zweite Flasche Bordeaux. Kharmai stürzte ein Glas sehr schnell herunter, ließ sich mit dem zweiten aber Zeit und genoss es. Sie sprachen über den Flug und ihre ersten Eindrücke von Afrika, und schließlich, als es schon dunkel war, unterhielten sie sich über ihre Anfangszeit bei der CIA.
Doch Kealey interessierte in erster Linie etwas anderes. »Ich weiß, es ist unhöflich, aber wie alt sind Sie eigentlich?«, fragte er schließlich mit einem jungenhaften Grinsen.
»Sie haben keinen Trumpf im Ärmel, um die Antwort aus mir herauszuholen«, antwortete sie lächelnd. » Ich weiß bereits, wie alt Sie sind.«
»Stimmt. Sie scheinen eine Menge zu wissen.«
»Deshalb bin ich jetzt hier und versauere nicht in meinem winzigen Büro.« Sie hob schelmisch die Augenbrauen. »Harper glaubt, Sie wären ohne eine intelligente Reisebegleiterin aufgeschmissen.«
Kealey lachte und schenkte Wein nach.
»Und wie alt ist Ihre Verlobte?«
»Sage ich erst, wenn Sie mir Ihr Alter genannt haben.«
Ihr Gesichtsausdruck wirkte amüsiert, als sie das Glas absetzte und dann kurz nachdachte. »In Ordnung. Ich muss Ihnen wohl vertrauen. Ich bin neunundzwanzig. Jetzt sind Sie dran.«
»Neunundzwanzig?«
Ihr Lächeln löste sich auf. »Na gut, dreißig. Mein Gott, neunundzwanzig hört sich so viel besser an.«
Kealey lachte und hielt sein Versprechen. »Katie ist vierundzwanzig. Ich weiß, dass mich das in einem schlechten Licht erscheinen lässt, aber ich habe nichts zu meiner Verteidigung vorzubringen. Sie war meine Studentin, was die Sache vermutlich noch schlimmer macht.«
»Sie sind Professor?«, fragte sie ziemlich überrascht. »Sind Sie dafür nicht ein bisschen jung?«
»Ich bin eher ein Dozent. Wahrscheinlich habe ich den Job immer noch, wenn ich ein bisschen zu Kreuze krieche und die richtigen Dinge sage. Aber ich bin einfach nicht der Typ für so einen Beruf.«
»Nein, das ist es nicht. Mein Vater hat in Cambridge gelehrt. Er war wirklich sehr bekannt, eine Koryphäe auf seinem Gebiet. Die meisten Leute hätten auch nicht geglaubt, dass er der richtige Typ dafür ist.«
»Sind Sie nach Amerika gekommen, weil er einen Ruf erhalten hat?«
Sie nickte, und Kealey bemerkte, wie sich ihre Miene verdüsterte. »Als ich achtzehn war, hat man ihm eine Professur in Harvard angeboten. Er hat ein paar Bücher geschrieben, eine lebenslange Professur erhalten und war ein sehr erfolgreicher Wissenschaftler … Als man mir ebenfalls eine Stelle an der Universität anbot und ich sie ablehnte, hat er einen Monat lang kein Wort mit mir gesprochen.« Sie schwieg kurz. »Vermutlich wollte er, dass ich in seine Fußstapfen trete. Als ich bei der CIA angefangen habe, war er noch enttäuschter.«
»Warum haben Sie das Angebot denn abgelehnt?«, fragte er leise.
Jetzt blickte sie ihm direkt in die Augen. »Eine Stelle an der Universität muss man sich verdienen. Ich wollte keine Zukunft, die auf den Einfluss meines berühmten Vaters zurückging. Heutzutage klingt das dumm, doch damals habe ich so empfunden. Da mein Vater sehr halsstarrig sein konnte, kamen wir nicht besonders gut miteinander
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