Der Amerikaner - The American
nervös.«
Und er ist keine Ausnahme, dachte Kharmai. Aber Ryan Kealey hatte tiefer in die Abgründe von Marchs Persönlichkeit geblickt als sonst jemand, lange vor allen anderen. Ihm konnte man nicht die Schuld geben für das, was March vor sieben Jahren getan hatte, und auch nicht für die danach begangenen Verbrechen. Sie reichte dem stellvertretenden Direktor die Akte zurück.
»Jetzt haben Sie eine Vorstellung davon, hinter wem Sie her sind«, sagte Harper.
Kharmai verzog keine Miene, glaubte aber, einen Hauch von Belustigung in Kealeys Zügen zu erahnen. Offenbar hatte Harper keine Ahnung, wie viel sie bereits wusste.
»Ich möchte, dass Sie beide nach Kapstadt reisen und sich anhören, was Gray zu sagen hat. Seine Schifffahrtsgesellschaft residiert dort in einem umgebauten Lagerhaus. Er hat auch Filialen in Durban und Richards Bay, aber der Firmensitz befindet sich in Kapstadt.« Harper zeigte auf die Akte, die auf Kealeys Oberschenkeln lag. »Darin sollten Sie alle erforderlichen Informationen finden. Wie Sie sich denken können, ist Stephen Gray bei den dortigen Behörden kein besonders beliebter Bürger, seit er dieser Anklage entkommen ist. Die südafrikanische Regierung hat uns inoffizielle Unterstützung für diese Operation zugesagt. Im Klartext heißt das, dass man gelegentlich ein Auge zudrücken wird, aber beileibe nicht immer. Haben Sie mich diesmal verstanden, Ryan?« Bei dieser Frage klang seine Stimme stahlhart, und er blickte Kealey direkt in die Augen.
Der nickte ehrerbietig, was bei Kharmai für einige Erheiterung sorgte, bis Harper sie mit einem strengen Blick zur Ordnung rief.
»Außerdem muss ich darauf hinweisen, dass die örtliche Polizei nicht eingeweiht ist und dass sich daran so bald nichts ändern
wird. Man weiß dort nicht, wer Sie sind … Es lohnt sich, das im Gedächtnis zu behalten. Die Polizei wird nicht zögern, auf Sie zu schießen, falls man Sie für eine Bedrohung halten sollte. Ich sage das nicht, weil ich mir Sorgen um meine Gesundheit mache, verstanden? Von Kapstadt abgesehen, befindet sich die nächste amerikanische Botschaft in Pretoria, und bis dahin sind es knapp tausend Kilometer. Sie sind ziemlich auf sich allein gestellt und können sich keine Patzer leisten.«
Harper drehte sich nach vorn, um dem Fahrer etwas zu zeigen. Sie näherten sich dem Norfolk International Airport, und mittlerweile regnete es in Strömen. Dicke Tropfen prasselten auf das Dach des Wagens und den Asphalt.
»Fast hätte ich es vergessen.« Harper wandte sich noch einmal um und reichte Kealey und Kharmai einen Umschlag. »Da sind Pässe und Führerscheine drin. Glückwunsch, Sie arbeiten jetzt in Silicon Valley.« Er grinste. »Müsste mit einer beträchtlichen Gehaltserhöhung verbunden sein, wenn auch nur auf dem Papier. Was Sie brauchen, können Sie auf die Spesenrechnung setzen, aber vergessen Sie nicht, wer den Kopf dafür hinhalten muss, wenn Sie zu viel Geld verprassen.« Sein Lächeln löste sich auf, und er wurde wieder ernst. »Eigentlich bin ich jetzt überflüssig. Ich kann genauso gut in mein gemütliches Büro in Langley zurückkehren. Der Direktor und der Präsident persönlich räumen dieser Sache höchste Priorität ein. Ich verlasse mich auf Sie beide.«
Der kleine Konvoi fuhr seit fast acht Stunden in nordwestliche Richtung. Sie hatten die Salzwüste Dasht-e Lut durchquert, die sich endlos in alle Richtungen zu erstrecken schien. Als sich endlich die ersten Erhebungen des Zagrosgebirges in der Ferne abzeichneten, inspirierte das den jungen Geheimpolizisten auf
dem Beifahrersitz des zweiten Landrovers zu einem leisen Dankgebet. In dem Fahrzeug davor saßen der Mann von Al Kaida, der Oberst der Luftstreitkräfte und zwei seiner Adjutanten. Hinter den beiden Fahrzeugen fuhr der Lastwagen, der von dem Amerikaner gefahren wurde und auf dessen Ladefläche sich der für die Anlage in Arak bestimmte Container befand.
Sie waren durch die Orte Nikshahr und Bampur gekommen, wo aufgeregte Kinder den Fahrzeugen zuwinkten, die sich vorsichtig durch die engen Gassen zwängten. Vier Stunden später war im Norden die Stadt Bam zu sehen, was einen dort geborenen Mann auf der Rückbank in verzückte Rufe ausbrechen ließ. Nachdem die Stadt hinter ihnen zurückgeblieben war, hatten sie nur fünfundsiebzig Kilometer zurückgelegt.
Für Ali Ahmedi, der die ersten achtundzwanzig Jahre seines Lebens in den Straßen von Teheran verbracht hatte, war der faszinierende Anblick der
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