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Der Amerikaner - The American

Der Amerikaner - The American

Titel: Der Amerikaner - The American Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Britton
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persönlichen Ehrgeiz zu kaschieren. Wie viele Menschen ohne Gewissen war auch er ein geborener Schauspieler. Ich bin viel zu jung, hatte er gesagt. Dieser Auftrag sollte jemandem anvertraut werden, der sich bereits bewährt hat. Die Befehlshaber der Organisation priesen insgeheim seine Bescheidenheit und Zurückhaltung. Dann entschieden sie sich für ihn, und es lag in al-Adels Natur, in dem Vertrauen keine Belohnung, sondern eine Herausforderung zu sehen. Die nun folgenden Vorbereitungen nahmen fast zwei Jahre in Anspruch. Es mussten tausendfünfhundert Pfund TNT besorgt und Lagermöglichkeiten für den Sprengstoff gefunden werden, und dazu kam noch die Ausbildung und Motivation der Selbstmordattentäter, die bald Allah begegnen würden, ohne zu wissen, was sie mit ihrer Aktion erreicht hatten. Die ganze Verantwortung lastete auf seinen Schultern, doch schließlich hatte er einen großen Sieg gegen die Ungläubigen errungen - zweihundertvierundzwanzig Tote, darunter Dutzende von Amerikanern.

    Er wurde wieder in die Realität zurückkatapultiert, als die beiden mächtigen Lotarew-D-136-Triebwerke, die den riesigen Rotor antrieben, den Helikopter durchschüttelten. Falls sich herausstellte, dass der Amerikaner ein anderer war, als er zu sein schien, zählten seine bisherigen Erfolge nicht mehr. Trotz seines Narzissmus, der krankhafte Züge annehmen konnte, hatte al-Adel durchaus ein Bewusstsein für seine Schwächen. Er musste sich eingestehen, dass er den Amerikaner beeindrucken wollte, als er ihm die geforderte Audienz gewährte. Der Anführer der Organisation tauchte nicht einfach aus Lust und Laune irgendwo auf. Er musste permanent auf der Hut sein vor amerikanischen oder neuerdings auch afghanischen Soldaten, die ihre Loyalität gegenüber dem Westen entdeckt hatten. Und vor Verrätern aus der eigenen Organisation, mit denen man ebenfalls immer rechnen musste. Wenn ihn jemand treffen wollte, konnte das Risiko nur durch einen triftigen Grund gerechtfertigt werden.
    All das hatte er dem Amerikaner erklärt, und der triftige Grund war ein Plan. Diese simple Erklärung reichte al-Adel. Die Nachricht von den zweiundneunzig Toten vor dem Kennedy-Warren-Gebäude hatte ihn verblüfft, und ihm war schlagartig klar geworden, dass er die Fähigkeiten des Amerikaners unterschätzt hatte. Und jetzt hatte er größeres Vertrauen in ihn, als er zugegeben hätte.
    Er glaubte daran, dass dieser Mann in die Nähe des amerikanischen Präsidenten gelangen konnte. Eine Operation solchen Ausmaßes erforderte die Zustimmung des höchsten Führers der Organisation, und im Wissen darum traf al-Adel jetzt eine Entscheidung. Wenn der Plan nicht so brillant war, dass man dem Amerikaner gratulieren musste, würde er ihn persönlich aus dem Camp schleifen und erschießen, bevor ihn selbst die für ihn bestimmte Kugel ereilte.

    Mit diesem tröstlichen Gedanken fiel auch er in einen traumlosen Schlaf, während der Helikopter durch die Finsternis in Richtung des Kaspischen Meeres flog.
     
    Dieser gottverdammte Kealey. Naomi Kharmai lag einmal mehr auf dem Dach, und die Sonne brannte genauso erbarmungslos von einem wolkenlosen Himmel wie am Vortag. Den größten Teil des Morgens hatte sie damit verbracht, Kealey zu verfluchen, was sie aber nicht davon abgehalten hatte, auf das Funkgerät zu achten. Bevor er sie wieder auf ihren Beobachtungsposten schickte, hatte Kealey einen knapp sieben Meter langen Katamaran gemietet, weil es angeblich nicht reichte, das Lagerhaus von nur einer Seite zu beobachten.
    Er hat gut reden, dachte sie. Auf dem Wasser ist es angenehm kühl, und ich sitze hier fest und muss mich rösten lassen. Der silberne Mercedes war am Morgen auf die Minute pünktlich eingetroffen, hatte sich seitdem aber nicht vom Fleck bewegt. Selbst der Kurier auf dem Motorroller, die einzige Abwechslung des Tages, hatte sich heute nicht blicken lassen. Während der Minutenzeiger ihrer Uhr sich quälend langsam vorwärts bewegte, wurde Kharmai bewusst, dass ihre Glieder allmählich einschliefen.
    Die endlosen Stunden ohne ein Wort waren schwer zu ertragen. Sie hätte viel darum gegeben, mit Kealey reden zu können, doch der hatte strikte Anweisung gegeben, sie dürfe das Funkgerät nur benutzen, wenn sie etwas zu berichten habe. Sie kannte sich gut genug, um sich einzugestehen, dass sein herrisches Gebaren nicht der wahre Grund für ihre gegenwärtige Stimmung war.
    Kharmai zwang sich, seinen Anblick aus ihrem Kopf zu verdrängen, und

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