Der Amerikaner - The American
aber wir müssen diese Geschichte richtig angehen. Früher oder später wird sich eine Gelegenheit bieten.«
Er kletterte die Feuerleiter hinab, und Kharmai folgte ihm. Sie war niedergeschlagen angesichts der Aussicht, weitere endlose Tage auf dem heißen Dach liegen und Backsteine anstarren zu müssen, und konnte nicht sehen, dass ein leises Lächeln über Kealeys Gesicht huschte.
»Wissen Sie was?«, sagte er. »Allmählich interessiert mich, wie es auf der anderen Seite des Lagerhauses aussieht.«
18
Iran • Kapstadt
Östlich von Teheran änderte der in knapp drei Kilometern Flughöhe und mit einer Geschwindigkeit von deutlich über dreihundert Stundenkilometern fliegende Mi-26-Frachthubschrauber den Kurs in Richtung Meschhed, doch diese Stadt war nicht sein Ziel. Tatsächlich würde der Helikopter auf dem behelfsmäßigen Flugplatz südlich von Arak landen, auf dem March vor fast drei Wochen iranischen Boden betreten hatte. Dort sollten die vier Reservetanks ausgewechselt werden, und dann würde der ehedem von der Sowjetunion gelieferte HALO-Helikopter Kurs in Richtung Nordosten einschlagen, in den Luftraum von Turkmenistan eindringen und dort über die dünn besiedelten Flussniederungen fliegen.
In dem Helikopter saßen nur zwei Passagiere - Jason March, der in einen leichten Schlummer gesunken war, und, auf der anderen Seite des Gangs, Saif al-Adel, dem mehrere Gedanken gleichzeitig durch den Kopf gingen, während er in die undurchdringliche Finsternis vor dem Fenster starrte.
Al-Adel war in erster Linie eine pragmatische Natur, und dieser Charakterzug hatte sich immer mehr ausgeprägt durch eine Entdeckung, die er vor vielen Jahren gemacht hatte: Geflüsterte Freundschaftsbekundungen vermochten fast jedes Problem zu lösen - besonders, wenn unmittelbar darauf eine Kugel folgte. Im Laufe der Zeit hatte er zahllose Menschen getötet, entweder persönlich oder durch Erteilung eines Auftrags. Nun war er zum
ersten Mal mit dem Gedanken konfrontiert, sein eigenes Leben könnte in den Händen eines anderen liegen, und diese Vorstellung gefiel ihm überhaupt nicht.
Wenn ihn sein Urteilsvermögen hier im Stich ließ, würden seine zurückliegenden Erfolge schnell in Vergessenheit geraten. Seine außergewöhnliche Bilanz erfüllte ihn mit Stolz. Er erinnerte sich an seine Anfänge als Freiwilliger in der noch jungen Bewegung Islamischer Jihad. Damals war er nur einer von vielen unwissenden Jugendlichen gewesen, die nach der Ermordung Anwar as-Sadats in den staubigen Straßen von Kairo fundamentalistische Slogans skandiert hatten.
Dass er bereits mit zwanzig Jahren die Wahrheit erkannt hatte, war für al-Adel noch heute eine fortwährende Quelle des Stolzes.
Während er selbst sich immer stärker engagierte und Verantwortung übertragen bekam, versanken weniger geeignete Kandidaten wieder in den Niederungen des alltäglichen Lebens. Sie kannten nur noch ihre Kinder und ihre Arbeit und sparten jeden Pfennig, um für eine Woche des Jahres an den überfüllten Stränden von Quseir so tun zu können, als würden sie sich von der Masse abheben.
Al-Adel hätte einer solchen Durchschnittsexistenz den Tod vorgezogen. Immer wieder hatte er seinen Mut und seine Führungsqualitäten unter Beweis gestellt. Er erinnerte sich an einen warmen Novembernachmittag, an ein Lagerhaus am Ufer des Indus, wo unter dem nervösen Gelächter der anderen die Kabel der Autobombe mit dem Fahrersitz verbunden worden waren. Er hatte einen Untergebenen umarmt, jenen Mann, der mit dem Fahrzeug in die Botschaft in Islamabad rasen sollte. Später hatten sie in einem mit Zigarettenrauch vernebelten Raum auf die Erfolgsmeldung gewartet.
Dreizehn Tote, aber der Botschafter, auf den sie es eigentlich abgesehen hatten, war mit dem Leben davongekommen. Ein kleiner Sieg, nicht mehr. 1996 hatte er eine bedeutende Rolle bei dem Anschlag auf die Khobar Towers gespielt und sich damit für jenen Auftrag empfohlen, dessen Erledigung bis jetzt sein größter persönlicher Erfolg war. Nach Khalils ungeklärtem Tod auf einer staubigen Bergstraße in Syrien war eine höhere Stelle innerhalb der Organisation vakant gewesen. Der Erfolg in Dhabran hatte den Namen Saif al-Adel beim ersten Mann der Organisation bekannt gemacht, und es sprach sich herum, man habe ihm die Planung von zwei simultan durchzuführenden Anschlägen im Ausland anvertraut, die den Westen in die Knie zwingen würden.
Zunächst hatte er demonstrativ Skepsis zur Schau getragen, um seinen
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