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Der amerikanische Architekt

Der amerikanische Architekt

Titel: Der amerikanische Architekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Waldman
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egal, er konnte nicht auf ihr Verständnis zählen. Also musste er ihnen klarmachen, was sie sich selbst antaten. Aber er musste sich beeilen. Der Schweiß, der auf seiner Stirn perlte, würde ihm bald in den Augen brennen.
    »Welche historische Aussage wollen Sie mit dieser Gedenkstätte machen?«, fragte er und dann, immer noch unfähig, sich in seiner vorbereiteten Ansprache zurechtzufinden, unfähig, sich daran zu erinnern, was er nach den Einflüssen als Nächstes hatte zur Sprache bringen wollen, fiel ihm einfach nichts mehr ein, was er noch sagen könnte. Seine Rede endete einfach so, wie ein Satz ohne Punkt, und weil niemand merkte, dass er fertig war, oder aber weil es niemanden gab, der auf seiner Seite stand, oder weil die unruhige Menge sich plötzlich an Pauls Warnung vor weiteren Unterbrechungen erinnerte, erhielt er keinen Applaus.
    Eine Firma namens U Speak war beauftragt worden, den Teil der Anhörung, der den Nachfragen vorbehalten war, zu organisieren. Im Pressebereich des Saals überflog Alyssa die Hochglanzbroschüre aus der Pressemappe und musste fast lachen. Die Firma beschrieb ihre Mission als »Erfüllung des Jefferson’schen Ideals, demzufolge jeder Amerikaner seine fünfzehn Minuten bekommen sollte«, und bot unter Zeitdruck stehenden »Allgemeinbürgern«, die den »Spezialisten«, womit Politiker und Lobbyisten gemeint waren, gegenübergestellt wurden, eine Stimme. Ihr Slogan lautete: »Selbst eine Demokratie braucht hin und wieder ein bisschen Viagra.« Falls die Reaktion auf Mohammad Khans Bemerkungen ein Hinweis war, hatte dieses Publikum kein Problem mit einem Mangel an Testosteron, am allerwenigsten die SAFI -Frauen.
    Als Zeremonienmeisterin von U Speak fungierte eine Frau namens Winnie, deren Lächeln aussah, als sei es chirurgisch fixiert worden. Sie erklärte, dass sie die Sprecherinnen und Sprecher von einer Liste mit neunzig Namen aufrufen würde, die sie dabei hochhielt. Abgesehen davon, dass sie noch einmal betonte, die Angehörigen der Toten seien bevorzugt behandelt worden, verriet Winnie nicht, nach welchen Kriterien die Liste zusammengestellt worden war, und Alyssa fragte sich, wer – U Speak, Paul Rubin, die Gouverneurin? – nach welchen Kriterien vorgegangen war. Es störte sie ein bisschen, als sei die Story redigiert worden, bevor sie sie schreiben konnte.
    Die Redner fingen an.
    »Alan Bolton. Ich habe meinen Sohn Jason verloren. Dass ein Muslim die Gedenkstätte entworfen hat oder meinetwegen auch, dass sie islamische Elemente enthält, empfinde ich nicht als Kränkung. Ich empfinde es als Mangel an Einfühlungsvermögen, was etwas völlig anderes ist.« Alyssa sah zu Rubin hinüber und fragte sich, ob er Anspielungen auf Khans Religion für unzulässig erklären würde. Er tat es nicht. »Von uns, die wir die größte Last des Verlustes zu tragen hatten, wird nun verlangt, auch die Last zu tragen, Amerikas Toleranz unter Beweis zu stellen, und das … nun, das ist ziemlich viel verlangt. 1984, als Karmeliterinnen in Auschwitz ein Kloster errichten wollten, entschied der Papst, die Einwände der Juden zu respektieren und das Kloster zu verlegen. Er sagte nicht, die Nonnen hätten kein Recht, dort zu sein, er sagte nicht, sie seien in irgendeiner Weise verantwortlich für das, was den Juden dort angetan wurde. Er sagte nur, recht haben heißt nicht unbedingt im Recht sein, und dass auch Gefühle zählen. Ich habe nichts gegen Mr Khan. Aber wenn auch nur ein Anhänger seiner Religion hämische Freude empfindet, weil sein Entwurf ausgewählt wurde, oder beim Gedanken daran, was dieser Entwurf versinnbildlichen könnte, wäre das für mich unglaublich schmerzlich.«
    Als Bolton das Podium verließ, warf Alyssa einen Blick in ihre Notizen. »Mangel an Einfühlungsvermögen«, hatte sie geschrieben. »Familien sollen Toleranz beweisen = unfair. Papst an Nonnen: Kloster verlegen, weil Juden sauer. Recht ungleich Recht. Gefühle. Muslime hämisch.« Die Notizen riefen Boltons Ansprache genauso wenig wach wie ein blutloses Präparat in Formaldehyd sich mit einer funktionierenden Leber vergleichen ließ. Sie vergewisserte sich, dass ihr Kassettenrekorder lief.
    »Arthur Chang.« Der Dekan der Yale School of Art and Architecture, einer von Mos Professoren. Ein chinesisch-stämmiger, kultivierter, silberhaariger Mann von Ende sechzig, der die Klarheit und Eleganz des Entwurfs lobte, den Spannungsbogen zwischen Form und Formlosigkeit, zwischen organischen und anorganischen

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