Der amerikanische Architekt
seine Ansprache. Er hatte nicht so sehr die Stelle verloren, an der er unterbrochen worden war, als vielmehr die ganze Ansprache vergessen. Er konnte sich nicht mehr daran erinnern, was er gerade gesagt hatte. Die Großbuchstaben kamen ihm vor wie ein fremdländisches Alphabet. Aus dem Stegreif redete er weiter.
»Angefangen bei japanischen Gärten bis hin zu modernen Künstlern und Architekten wie Mondrian und Mies van der Rohe und zu den Gärten, die wir inzwischen als islamisch bezeichnen –«
Das verblüffte Schweigen im Raum klang in Mos Ohren wie ein Dröhnen. Eigentlich hatte er die nicht-islamischen Einflüsse auf den Garten hervorheben wollen, hatte aufzeigen wollen, dass die Kritiker, wäre der Entwurf nicht ausgerechnet von einem Mann namens Mohammad Khan eingereicht worden, diese vielfältigen Wurzeln gesehen hätten. Aber die Zwischenrufe hatten ihn so wütend gemacht, dass er in diesem Augenblick beschloss, eventuelle islamische Einflüsse nicht zu leugnen. Denn wenn er das tat, würde er praktisch eingestehen, dass damit ein Stigma verbunden war.
Es wurde gebuht, Leute schrien: »Rettet Amerika vor dem Islam« und »Keine muslimische Gedenkstätte!«
»Ruhe!« Rubin klopfte vergeblich gegen sein Mikrofon. »Ruhe!«
Mo redete weiter. »Bis zu den Gärten, die wir inzwischen als islamisch bezeichen«, wiederholte er, »obwohl sie mindestens tausend Jahre älter sind als der Islam, weil die Landwirtschaft, und nicht die Religion, ihre Struktur vorgab –«
»Taqiyya!«, schrie eine Frau.
»Er lügt! In jeder Hinsicht! Taqiyya!«, kreischte eine andere.
»Ruhe im Saal!«, bellte Rubin, der endlich wach zu werden schien. Er war blass geworden, Schweiß glänzte auf seiner halbmondförmigen Glatze. Er tupfte hektisch mit einem Taschentuch darauf herum. »Ruhe im Saal!«, donnerte er noch einmal. »Sonst ist diese Anhörung beendet. Ruhe!«
Mo gab es auf, weitersprechen zu wollen. Nach ein paar Minuten beruhigte sich der Raum. »Wenn Sie – das Publikum – sich nicht anständig verhalten können«, sagte Rubin mit strenger Stimme, »verdienen Sie es nicht, dass Ihr Standpunkt angehört wird.«
»Wir sind nicht das Publikum, wir sind die Angehörigen«, rief eine Stimme. »Sie können nicht behaupten, dass wir nicht zählen.« Selbstgerechter Applaus flackerte auf.
Immer noch schwitzend, aber wieder gefasst, hob Rubin eine Hand. »Natürlich zählen die Familien. Aber die Familien gehen respektvoll mit diesem Verfahren um, daher bin ich überzeugt, dass nicht sie für die Unterbrechungen verantwortlich sind. Die Familien verdienen Respekt auf ihrer Suche nach der richtigen Gedenkstätte, und jeder, der dieses Verfahren stört, zeigt damit, dass er keinerlei Respekt für sie empfindet.«
Die Logik, so verworren sie auch war, schien zu funktionieren. Das Publikum beruhigte sich. Paul forderte Mo mit einem Nicken auf, fortzufahren. Trotz des reichlich aufgetragenen Deodorants schwitzte auch er. Er versuchte, da anzuknüpfen, wo er unterbrochen worden war. »Diese Gärten sind älter als der Islam, und wahrscheinlich gehen die Gärten, über die wir im Koran lesen, auf die Gärten zurück, die es zu jener Zeit bereits gab, vielleicht auf die, die Mohammed auf seinem Weg nach Damaskus sah. Vielleicht hat er den Koran als Reaktion auf diesen Kontext geschrieben. Verglichen mit der Wüste erschienen Gärten den Menschen als etwas Paradiesisches, und folglich malten sie sich ihren Himmel so aus. Sie wurden ihr Modell für das Paradies.«
Das Gefühl, irgendetwas Unkluges gesagt zu haben, nagte kurz an ihm, aber wie ein Football-Spieler, der sich einen Patzer geleistet hat, konnte er nur versuchen, am Ball zu bleiben. »Mein Punkt« – was war eigentlich sein Punkt? – »mein Punkt, mein Punkt ist, dass der Garten angesichts all dieser Einflüsse – dass genau diese Mischung aus Einflüssen ihn amerikanisch macht.« Das Licht blendete ihn so, dass er nur Rubins Gesicht sehen konnte. Rubin sah verwirrt aus. Er sollte allmählich zum Ende kommen.
Die Jungfrauen, die zweiundsiebzig Jungfrauen – sollte er näher auf sie eingehen … zweiundsiebzig Versionen der Wahrheit. Nein, das würde alles nur noch schlimmer machen. Der Fehler, das Problem bei dieser Anhörung, das sah er nun, war, dass er keine Gelegenheit haben würde, auf die Sprecher einzugehen, die nach ihm kamen. Wie sollte er die ganze Sache ins Persönliche wenden, ihnen klarmachen, was sie ihm antaten? Es wäre ihnen sowieso
Weitere Kostenlose Bücher