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Der amerikanische Architekt

Der amerikanische Architekt

Titel: Der amerikanische Architekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Waldman
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Elementen.
    »Wenn ich noch etwas zu einem anderen Punkt sagen dürfte: Ich kenne Mr Khan seit fünfzehn Jahren. Sein Charakter ist ebenso beeindruckend wie sein Talent. Und er ist genauso amerikanisch, wie ich es bin.«
    »Debbie Dawson.« So stark geschminkt, wie sie war, verlieh das gleißende Licht ihr Ähnlichkeit mit dem Joker aus Batman . Als sei sie sich bewusst, wie unvorteilhaft sich das im Fernsehen machen würde, bat sie darum, die Scheinwerfer etwas zu dimmen, und wartete, bekannten Gesichtern zunickend, während die Techniker sich bemühten, ihrer Forderung nachzukommen.
    »Der Prophet Mohammed hat Sklaven genommen, Karawanen überfallen und eine Sechsjährige geheiratet, allerdings wurde die Ehe erst vollzogen, als sie das reife Alter von neun Jahren erreicht hatte«, fing sie an. »Ist das ein Name, den wir im Zusammenhang mit dieser Gedenkstätte sehen wollen?«
    Gelächter und ein neuer Kampfruf – »Keine Mohammad-Gedenkstätte« – aus dem Publikum.
    Winnie klopfte gegen ihr Mikrofon und sagte: »Bitte, lassen Sie Ms Dawson zu Ende sprechen«, obwohl Ms Dawson die Unterbrechung zu genießen schien.
    Der Sprechgesang ging unbeeindruckt weiter.
    Rubin zerrte an seiner Fliege und beugte sich über sein Mikrofon: »Ich möchte Sie darauf hinweisen, Ms Dawson, dass die Beiträge Ihrer Anhänger von Ihrer Redezeit abgehen.«
    »Sie kann meine Zeit haben, ich stehe auf der Liste«, schrie jemand.
    »Zeit kann weder verschenkt, verkauft noch getauscht werden«, sagte Rubin. »Wenn jemand seine oder ihre Zeit nicht nutzen will, werden wir früher fertig sein.«
    Dawson wedelte fröhlich mit der Hand, als dirigiere sie eine Fanfare ihrem Ende entgegen, und kehrte zu ihrer Ansprache zurück. »Als der Anführer des Massakers zu den anderen sagte: ›Wir sehen uns im Paradies wieder‹, hat wahrscheinlich nicht einmal er sich vorgestellt, dass dieses Paradies mitten im Herzen von Manhattan liegen würde. Wer glaubt, dieser Gedenkstättenentwurf sei harmlos, glaubt wahrscheinlich auch, dass Dschihad nichts anderes als ›innerer Kampf‹ bedeutet, und wer das glaubt, der lässt sich wahrscheinlich auch von mir eine Brücke in Brooklyn andrehen. Amerikanische Muslime sollten die Taten ihrer Glaubensbrüder verdammen, statt sie auch noch gutzuheißen. Und –«
    In diesem Augenblick stand Mohammad Khan auf, schob sich durch seine Reihe, marschierte den Mittelgang entlang und verschwand durch die Tür. Im Vorbeigehen erhaschte Alyssa einen Blick auf sein erregtes Gesicht. Ein Mann im Anzug, sein Anwalt, hastete hinter ihm her. Dawson machte eine kurze Pause und sagte lächelnd: »Ich hoffe doch sehr, diese Unterbrechung wird nicht auch von meiner Redezeit abgezogen, Herr Vorsitzender.« Rubin ging nicht darauf ein.
    Alyssa stand auf, um Khan zu folgen. Als seien sie mit Handschellen aneinander gefesselt, erhoben sich auch die anderen Reporter im Pressebereich wie auf Befehl. Wütend setzte sie sich wieder. Sie taten es ihr nach. Khan kam erst wieder zurück, als ein anderer Sprecher das Podium betreten hatte.
    »Arlo Eisenmann.« Er hatte seine Frau verloren. »Ich möchte sagen, dass ich den Entwurf sehr schön finde, sehr kraftvoll. Ich habe kein Problem mit der Form des Gartens oder damit, dass er eventuell Ähnlichkeiten mit was auch immer hat oder nicht hat, sondern mit der Idee eines Gartens an sich. Mit seiner Vergänglichkeit. Mit seiner Natur, wenn Sie so wollen. Es liegt in der Natur eines Gartens, dass er veränderlich ist, anfällig, vielen Gefahren ausgesetzt, und ich bin mir nicht sicher, ob wir hier ein Risiko eingehen sollten. Ein Garten erfordert einen unglaublich hohen Aufwand, er erfordert sehr viel Pflege, und zwar über Generationen hinweg. Eine Gedenkstätte aus Stein oder Granit kann man vernachlässigen, wenn man will. Aber was, wenn uns das Geld für die Pflege des Gartens ausgeht oder wenn die klimatischen Veränderungen so schlimm werden, dass keine Pflanze mehr gedeihen will? Die symbolische Bedeutung eines vernachlässigten, verwilderten Gartens, der von der Natur zurückerobert wird, weil niemand sich mehr kümmert, wäre verheerend.«
    Völlig untypisch für Alyssa zeichnete sich vor ihren Augen das Bild eines außer Kontrolle geratenen Gartens ab, der den ganzen mittleren Teil von Manhattan vereinnahmte. Bäume reckten ihre Arme aus Gebäuden, Wurzeln wölbten Bürgersteige. Ein Schauder durchlief sie.
    »Florence Garvey. Ich bin hier, weil mein Schwager an jenem Tag ums

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