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Der amerikanische Architekt

Der amerikanische Architekt

Titel: Der amerikanische Architekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Waldman
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Leben kam, aber ich bin auch Historikerin. Mein Spezialgebiet sind die Anfänge Amerikas.« In ermüdender Länge zählte sie ihre Qualifikationen auf, bevor sie zur Sache kam: »Ich habe nichts gegen einen Garten, aber ich verstehe nicht, wieso es unbedingt ein ummauerter Garten sein muss. Ummauerte Gärten sind unamerikanisch oder vielmehr – ich mag diesen Ausdruck nicht – ›nicht-amerikanisch‹. Sie sind nicht Teil unserer Tradition, denn sie geben einem bestimmten Raum Vorrang vor anderen. Die Puritaner sagten, die Natur sei ›Gottes zweites Buch‹, und als Gedenkstätte einen ummauerten Garten zu wählen bedeutet, eine einzige Seite aus diesem Buch herauszureißen. Es ist, als importiere man exotische Pflanzen, obwohl wir uns heutzutage auch der Schönheit indigener Pflanzen bewusst sind. Wollen wir nicht ein Symbol, das Amerika mehr entspricht?«
    Eine Stunde verging. Völlig ausgehungert stopfte sich Alyssa unauffällig eine Handvoll Gummibärchen in den Mund.
    »David Albon.« Professor der Orientalistik, komplett mit professoralem Bart. »Der Islam ist eine expansionistische Religion, und wo immer der Islam hinkam, entstanden oft auch Gärten. Wir finden sie in Indien, Spanien, Marokko und anderswo. Und jetzt also auch in New York. Wie es immer so schön heißt, wenn es wie eine Ente aussieht, wie eine Ente watschelt und wie eine Ente quakt, wird es wahrscheinlich auch wie eine Ente schmecken. Folglich haben wir hier, mitten in Manhattan, ein islamisches Paradies, und durch den Märtyrertod – durch Mord, durch Selbstmord, durch die ultimative Unterwerfung unter Gott – in dieses Paradies zu gelangen, ist zur Obsession islamischer Extremisten geworden. Wir spielen auf unser eigenes Risiko hin mit dieser Idée fixe.«
    Winnie verkündete eine fünfzehnminütige Pause. Alyssa, die zutiefst bereute, dass sie zum Frühstück so viel Kaffee getrunken hatte, verbrachte die gesamte Zeit in der Schlange vor den Toiletten.
    »Maxwell Franklin.« Ein ehemaliger CIA -Mann, jetzt als Berater tätig und hauptsächlich damit befasst, der dschihadistischen Bedrohung nachzuspüren. Arabischkenntnisse. »Mit Ausnahme des iranischen Präsidenten, der sehr genau weiß, wie er uns auf die Palme bringen kann, habe ich keinerlei Beweise dafür gefunden, dass islamistische Extremisten sich ins Fäustchen lachen, weil wir uns für diesen Garten entschieden haben. Vielmehr beobachten sie die Reaktionen auf den Garten, die Art und Weise, wie wir mit Mohammad Khan umgehen, und das ist für sie der Beweis dafür, dass der Westen dem Islam gegenüber feindselig eingestellt ist. Wir servieren ihnen sozusagen auf dem Silbertablett eine großartige Möglichkeit, ihre Basis um sich zu scharen. Aber der Garten an sich? Der ist für sie praktisch keiner Erwähnung wert.«
    »Betsy Stanton.« Die zierliche, weißhaarige Autorin eines Buches über islamische Gärten und zufällig auch die Witwe eines US -Senators, der dem Anschlag zum Opfer gefallen war. »Seit wann haben wir solche Angst davor, von anderen Kulturen zu lernen?«, fing sie an. »Der Islam und der Westen haben sich immer gegenseitig beeinflusst, in der Architektur, im Gartenbau. Die Gebäude, die von uns allen so betrauert werden, auch sie besaßen, wie manche sagen, islamische Elemente. Ihr Architekt – kein Muslim, wie ich betonen möchte – verbrachte viel Zeit in der islamischen Welt und zeichnete verantwortlich für zahlreiche Gebäude dort.« Sie hielt Fotos hoch, die für das anwesende Publikum viel zu klein, für die Fernsehkameras aber perfekt waren, und fuhr fort: »Die Bögen im unteren Teil der Gebäude sind definitiv vom Islam beeinflusst, ebenso die geometrischen Filigranmuster, mit denen sie überzogen waren« – dasselbe filigrane Muster, erkannte Alyssa, die sich gebannt aufsetzte, mit dem Khan die Namen im Garten gerastert hatte. »Einige Fachleute halten die ganze Fassade für ein gigantisches Maschrabiyya, also eine vergrößerte Version der gitterartigen Wand- und Fensterverkleidungen, die man in Moscheen, die man überall in der islamischen Welt findet.«
    Das Wort »Moschee« wurde mit Buhrufen quittiert. Rubin beugte sich über sein Mikrofon, aber Stanton war schneller als er. Ihre beherrschte Stimme durchdrang den Lärm und bändigte ihn. »Sie hören mir anscheinend nicht richtig zu. Ich will darauf hinaus, dass die von uns so betrauerten Gebäude diese möglicherweise islamischen Elemente enthielten. Vermissen wir die Türme deshalb

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