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Der amerikanische Architekt

Der amerikanische Architekt

Titel: Der amerikanische Architekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Waldman
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weniger? Wenn man sie wiederaufbaute, wie so viele es wollen, würden wir diese Elemente dann weglassen? Falls ja, könnten Sie gleich damit weitermachen, den sichelförmigen Mond vom Himmel zu reißen.«
    Alyssa ließ den Blick durch den Raum wandern. Manche der Anwesenden nickten, andere sahen verwirrt aus. Selbst sie wusste nicht so genau, was sie von Stantons Bemerkungen halten sollte. Sie hatte doch gesagt, dieses Element in Khans Entwurf sei islamisch, oder? Aber nur, wenn auch die Türme islamisch waren? Viel zu kompliziert für einen Artikel.
    Eine weitere Stunde verging. Alyssa zog ein Bein unter sich, um ihre schmerzende Kehrseite zu entlasten. Ihr Fuß schlief ein.
    »Jody Iacocca.« Hatte ihren Mann verloren. »Ich bin keine Intellektuelle. Mein Mann war kein Senator, er war einfach nur Buchhalter, ein ganz gewöhnlicher Bursche. Ich habe nicht an einer Eliteuni studiert, ich lehre nicht in Yale. Aber ich kann lesen – dank einer guten, soliden amerikanischen Schulbildung. Und ich habe alles verfolgt, was Mr Khan in der Öffentlichkeit gesagt hat, inklusive seiner Erklärung von heute. Nirgends, an keiner Stelle, hat er die Anschläge verdammt, hat er den Terrorismus verdammt.« Stimmte das? Alyssa machte sich eine Notiz, das zu überprüfen, und bohrte den Kugelschreiber in ihren Oberschenkel, weniger um ihre Müdigkeit zu bekämpfen, als vielmehr, um sich selbst zu bestrafen. Sich von einer ganz gewöhnlichen (allerdings unerschrockenen) Jody den Rang ablaufen zu lassen, schmerzte sie.
    »Jim und Erica Marbury.« Hatten ihre Tochter verloren. Jim war derjenige, der das Wort ergriff. »Wir vertreten die Organisation ›Angehörige für Versöhnung‹ und finden den Entwurf sehr poetisch, sehr heilsam. Er ist für uns jetzt schon fast real. Dass Gärten Pflege und Fürsorge verlangen, ist genau der Punkt. Der Garten verkörpert eine Art Abmachung zwischen uns und zukünftigen Generationen. Er ist eine wunderschöne Metapher dafür, die Erinnerung an die Toten zu bewahren. Doch leider bekommt er hier keine faire Chance. Deshalb möchten wir sagen, dass jeder Verweis auf Mohammad Khans religiösen Hintergrund oder auf seine Herkunft eine Schande ist, eine Beleidigung für alles, was dieses Land ist oder sein sollte. Unsere Tochter hätte etwas Besseres von uns erwartet. Und falls der Garten tatsächlich islamische Elemente enthalten sollte, dann ist es eben so. Wir sollten sowieso nach Wegen suchen, unsere Kulturen miteinander auszusöhnen und zu einen.«
    »James Pogue  III , aber alle nennen mich Diener des Herrn.« Er lehnte den Stuhl ab, auf dem die anderen Sprecher Platz genommen hatten. Mit seiner spindeligen Gestalt und seinem abgetragenen schwarzen Anzug sah er aus wie ein ausgemergelter Türsteher an der Pforte zum Leben nach dem Tod. Alyssa sah, dass Paul Rubin einen verwirrten Blick auf seine Liste warf. »Mein Bruder verlor an jenem Tag sein Leben, und ich fürchte um seine Seele.« Ein paar Ächzer, ein paar Buhrufe. Er verneigte sich leicht, sah aber nicht aus, als tue es ihm leid. »Ich bin hier, um Ihnen allen das Wort des Herrn zu künden, damit Ihre Seelen am Tag des Gerichts nicht in Gefahr sind«, fuhr er fort und hub an, mit derart monotoner Stimme aus dem Buch der Prediger zu lesen, dass das ganze Publikum aussah, als sei es auf einer Party von einem notorischen Langweiler in eine Ecke abgedrängt worden. Dann hielt er eine Broschüre hoch: »Ich habe eine Formel für Sinnhaftigkeit entwickelt und werde sie draußen verteilen. Es gibt auch eine CD « – die ebenfalls hochgehalten wurde –, »die Sie käuflich erwerben können.«
    »Das hier ist keine Verkaufsveranstaltung«, sagte Paul. »Außerdem ist Ihre Zeit vorbei.«
    »Sean und Frank Gallagher.« Alyssa, die allmählich genug hatte, sah von ihrem Block hoch. Sean war immer für eine Überraschung gut – erst hatte er sich dafür entschuldigt, dass er dieser Frau das Kopftuch abgerissen hatte und seine Entschuldigung dann sozusagen wieder zurückgenommen, indem er einem ganzen Zimmer voller Muslime sagte, dass er trotzdem keine muslimische Gedenkstätte wolle. Würde er auch jetzt für eine Überraschung sorgen? Er beugte sich über das Mikro und sagte: »Ich werde meinen Vater für uns beide sprechen lassen.« Er legte dem erschrockenen Frank kurz die Hand auf die Schulter und verließ das Podium. Was hatte dieses Verhalten zu bedeuten? Alyssa machte ein Sternchen hinter die Namen der beiden.
    Das Licht verwandelte

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